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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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oder islamischer Religion, immer ein und dieselbe große Linie der Entwicklung zum Ausdruck bringt und für Syrien wie für Byzanz immer vorbildlich geblieben ist. Von Kufa geht die Bewegung aus, welche zum Untergang der Ommaijaden und ihres
ancien régime
führt, und sie hat, was in seiner ganzen Tragweite bis jetzt noch nie erkannt worden ist, den
Charakter einer sozialen, gegen die Urstände und die vornehme Tradition überhaupt gerichteten Revolution.
[J. Wellhausen, Das arabische Reich und sein Sturz (1902), S. 309 ff.] Sie beginnt unter den Mavali, dem kleinen Bürgertum im Osten, und wendet sich mit erbitterter Feindschaft gegen das Arabertum, nicht insofern es Verfechter des Islam, sondern insofern es ein neuer Adel war. Die eben bekehrten Mavali, fast sämtlich frühere Mazdaisten, nahmen den Islam ernster als die Araber selbst, die außerdem noch ein Standesideal vertraten. Schon im Heere Alis hatten sich die ganz demokratischen und puritanischen Charidschiten abgesondert. In ihren Kreisen erscheint jetzt zum erstenmal die Verbindung von fanatischem Sektenwesen und Jakobinertum. Hier ist damals nicht nur die schiitische Richtung entstanden, sondern auch der früheste Ansatz zur kommunistischen Churramija, die sich bis auf Mazdak [Vgl. Bd. II, S. 880.] zurückleiten läßt und später die ungeheuren Aufstände unter Babak hervorrief. Die Abbassiden waren den Aufständischen in Kufa durchaus nicht willkommen; sie verdankten es nur ihrem großen diplomatischen Geschick, wenn sie als Offiziere überhaupt zugelassen wurden und endlich – fast wie Napoleon – die Erbschaft der über den ganzen Osten verbreiteten Revolution antreten konnten. Nach dem Siege haben sie Bagdad erbaut, ein neu erstandenes Ktesiphon und das Denkmal der Niederlage des feudalen Arabertums; und diese erste Weltstadt der jungen Zivilisation wird 800–1050 der Schauplatz jener Ereignisse, welche vom Napoleonismus zum Cäsarismus führen,
vom Kalifat zum Sultanat
, denn das ist in Bagdad wie in Byzanz der magische Typus der formlosen Gewalten, die endlich auch hier allein noch möglich sind.
    Man mache sich also klar, daß Demokratie auch in der arabischen Welt ein Standesideal, und zwar von Stadtmenschen und ein Ausdruck ihres Freiseinwollens von den alten Bindungen des Landes, sei es Wüste oder Ackerboden, ist. Das Nein gegenüber der Kalifentradition verkleidet sich in sehr viele Formen und kann des Freidenkertums und der Verfassung in unserem Sinne ganz entbehren.
Magischer Geist und magisches Geld sind in anderer Weise »frei«.
Das byzantinische Mönchtum ist liberal bis zum Aufruhr, und zwar nicht nur gegen Hof und Adel, sondern auch gegen die hohen geistlichen Gewalten, die sich, der gotischen Hierarchie entsprechend, schon vor dem Konzil von Nikäa herausgebildet hatten. Der
consensus
der Rechtgläubigen, das »Volk« im verwegensten Sinne, ist von Gott – Rousseau würde gesagt haben von der Natur –
gleich
gewollt und frei von allen Mächten des Blutes. Die berühmte Szene, in welcher der Abt Theodor von Studion dem Kaiser Leo V. den Gehorsam kündigte (813), hat die Bedeutung eines Bastillesturms in magischen Formen. [K. Dieterich, Byz. Charakterköpfe, S. 54: »Da du eine Antwort von uns haben willst, so vernimm sie denn: Paulus hat gesagt: Einige setzte Gott ein in der Kirche zu Aposteln, andere zu Propheten; von Kaisern aber hat er nichts gesagt. – Wir werden
nicht
folgen, auch wenn ein Engel uns befiehlt, viel weniger denn dir!«] Bald danach beginnt der Aufstand der sehr frommen und in sozialen Dingen ganz radikalen Paulikianer, [Vgl. Bd. II, S. 950.] die jenseits des Taurus einen eigenen Staat aufrichteten, Kleinasien brandschatzten, ein kaiserliches Aufgebot nach dem andern schlugen und erst 874 niedergeworfen werden konnten. Das entspricht der kommunistisch-religiösen Bewegung der Churramija östlich des Tigris bis nach Merw hin, deren Führer Babak erst nach 20jährigem Kampf (817–837) unterlag, [Huart, Gesch. der Araber (1914), I, S. 299.] und jener andern der Karmaten im Westen (890–904), deren Verbindungen von Arabien aus durch alle syrischen Städte reichten und den Aufruhr bis zur persischen Küste verpflanzten. Aber daneben gab es noch ganz andere Verkleidungen für den politischen Parteikampf. Wenn wir hören, daß die byzantinische Armee bilderfeindlich war und der Militärpartei deshalb eine bilderfreundliche Mönchspartei gegenüberstand, so erscheint die Leidenschaft im Jahrhundert des

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