Der Untergang des Abendlandes
ist von da an ohne alle Bedeutung für das weitere Schicksal des türkisch-arabischen Imperiums.
Und dieses Zeitalter ist es, das sich in Ägypten hinter dem Namen der Hyksoszeit verbirgt. Zwischen der 12. und 18. Dynastie liegen zwei Jahrhunderte, [1790–1550. Z. folg. Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. I, § 298 ff. Weill,
La fin du moyen empire égyptien
(1918). Daß Ed. Meyers Ansatz richtig ist gegenüber dem von Petrie (1670 Jahre), ist durch die Stärke der Fundschichten und das Tempo der Stilentwicklung, auch der minoischen, längst bewiesen, und wird hier auch durch den Vergleich mit den entsprechenden Abschnitten der andern Kulturen bestätigt.] welche mit dem Zusammenbruch des unter Sesostris III. [Vgl. Bd. II, S. 1041.] auf den Gipfel gelangten
ancien régime
beginnen und an deren Ende die Kaiserzeit des Neuen Reiches steht. Schon die Zählung der Dynastien läßt eine Katastrophe erkennen. In den Königslisten erscheinen die Namen dicht nach- und nebeneinander, Usurpatoren dunkelster Herkunft, Generale, Leute mit seltsamen Titeln, manchmal nur einige Tage regierend. Ägypten zerfällt in eine Anzahl ephemerer Völker und Herrschaftsgebiete. Gleich mit dem ersten König der 13. Dynastie brechen die Nilhöheangaben in Semne ab, mit seinem Nachfolger die Urkunden in Kahun. Es ist die Zeit, aus welcher der Leidener Papyrus ein Bild der großen sozialen Revolution entwirft. [Erman, Mahnworte eines ägyptischen Propheten, Sitz. Preuß. Akademie (1919), S. 804 ff.: »Die hohen Beamten sind abgetan, das Land ist des Königtums beraubt von wenigen Wahnsinnigen, und die Räte des alten Staates machen den Emporkömmlingen den Hof; die Verwaltung hat aufgehört, die Akten sind vernichtet, alle sozialen Unterschiede aufgehoben, die Gerichte in die Hand des Pöbels gefallen. Die vornehmen Stände hungern und gehen in Lumpen; man schlägt ihre Kinder an die Mauer und reißt die Mumien aus den Gräbern; die Geringen werden reich und prahlen in den Palästen mit ihren Herden und Schiffen, die sie den rechtmäßigen Besitzern fortgenommen haben; ehemalige Sklavinnen führen das große Wort und die Fremden machen sich breit. Raub und Mord herrschen, die Städte werden verwüstet, die öffentlichen Bauten niedergebrannt. Die Ernten gehen zurück, niemand denkt mehr an Reinlichkeit, die Geburten werden selten; ›ach hätte es doch ein Ende mit den Menschen!‹« Das ist das Bild einer großstädtischen, späten Revolution gleich den hellenistischen (Bd. II, S. 1065f.) und denen von 1789 und 1871 in Paris. Es sind die weltstädtischen Massen, willenlose Werkzeuge des Ehrgeizes ihrer Führer, die jeden Rest von Ordnung zu Boden schlagen, die das Chaos in der Außenwelt sehen wollen, weil sie es in sich selbst haben. Ob diese zynischen und hoffnungslosen Versuche von Landfremden herrühren wie den Hyksos oder Türken oder von Sklaven wie denen des Spartakus und Ali, ob man die Aufteilung des Besitzes fordert wie in Syrakus oder ein Buch vor sich herträgt wie das von Marx – das alles ist Oberfläche. Es ist ganz gleichgültig, welche Schlagworte in den Wind schallen, während die Türen und Schädel eingeschlagen werden. Vernichtung ist der wahre und einzige Trieb und Cäsarismus das einzige Ergebnis. Die Weltstadt, der verzehrende Dämon, hat ihre entwurzelten und zukunftslosen Menschen in Bewegung gesetzt; sie sterben, indem sie vernichten.] Auf den Sturz der Regierung und den Sieg der Masse folgen die Aufstände im Heer und der Aufstieg ehrgeiziger Soldaten. Hier taucht, seit 1680 etwa, der Name der »Verruchten«, der Hyksos [Der Papyrus sagt »das Bogenvolk von draußen«. Das sind die barbarischen Soldtruppen, zu denen die eigene junge Mannschaft übergegangen ist.] auf, mit dem die Historiker des Neuen Reiches, die den Sinn der Epoche nicht mehr begriffen oder begreifen wollten, die Schmach dieser Jahre zugedeckt haben. Diese Hyksos haben ganz ohne Zweifel die Rolle der Armenier in Byzanz gespielt, und nicht anders wäre das Schicksal der Kimbern und Teutonen geworden wenn sie über Marius und seine aus der großstädtischen Hefe ergänzten Legionen gesiegt, mit ihren stets erneuerten Massen die Heere der Triumvirn gefüllt und ihre Führer zuletzt vielleicht an deren Stelle gesetzt hätten. Was Landfremde damals wagen durften, zeigt das Beispiel Jugurthas. Es ist ganz gleichgültig, welcher Herkunft und Zusammensetzung sie waren, ob Leibwachen, aufständische Sklaven, Jakobiner oder ganz fremde Stämme. Was sie für die
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