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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Spengler
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in
seinem
Interesse in Form zu sein, die Ware nach
seiner
Berechnung herzustellen und unter dem Druck
seiner
Angebote abzunehmen.
    Wer dieses Denken beherrscht, ist Meister des Geldes. [Bis zu den modernen Piraten des Geldmarktes, welche die Vermittlung vermitteln und mit der Ware »Geld« ein Glücksspiel treiben, wie es Zola in seinem berühmten Roman beschrieben hat.] Die Entwicklung geht in allen Kulturen diesen Weg. Lysias stellt in seiner Rede gegen die Getreidehändler fest, daß die Spekulanten im Piräus manchmal das Gerücht verbreiteten, eine Getreideflotte sei gescheitert oder ein Krieg ausgebrochen, um eine einträgliche Panik hervorzurufen. In hellenistisch-römischer Zeit war es eine verbreitete Sitte, auf Verabredung den Anbau zu beschränken oder die Einfuhr stocken zu lassen, um die Preise hinaufzutreiben. In Ägypten machte das dem abendländischen Bankverkehr vollkommen ebenbürtige Girowesen des Neuen Reiches [Preisigke, Girowesen im griechischen Ägypten (1910); die damaligen Verkehrsformen standen schon unter der 18. Dynastie auf gleicher Höhe.] Getreidecorner amerikanischen Stils möglich. Kleomenes, der Finanzverwalter Alexanders des Großen für Ägypten, konnte durch Buchkäufe den gesamten Getreidevorrat in seine Hand bringen, was eine Hungersnot weithin in Griechenland hervorrief und ungeheuren Gewinn abwarf. Wer wirtschaftlich anders denkt, sinkt damit zum bloßen Objekt großstädtischer Geldwirkungen herab. Dieser Stil ergreift bald das Wachsein der gesamten Stadtbevölkerung und damit aller, welche für die Lenkung der Wirtschaftsgeschichte ernsthaft in Betracht kommen. Bauer und Bürger bedeutet nicht nur den Unterschied von Land und Stadt, sondern auch den von Gut und Geld. Die prunkvolle Kultur der homerischen und provenzalischen Fürstenhöfe ist etwas, das mit dem Menschen gewachsen und verwachsen ist wie heute noch vielfach das Leben auf den Landsitzen alter Familien; die feinere Kultur des Bürgertums, der »Komfort«, ist etwas von außen Kommendes, das
bezahlt
werden kann. [Es steht mit dem bürgerlichen Ideal der Freiheit nicht anders. In der Theorie und also auch in Verfassungen mag man
grundsätzlich
frei sein. Im wirklichen Privatleben der Städte ist man unabhängig nur durch das Geld.] Alle hochentwickelte Wirtschaft ist Stadtwirtschaft. Die Weltwirtschaft, diejenige aller Zivilisationen, sollte man Weltstadtwirtschaft nennen. Die Schicksale auch der Wirtschaft entscheiden sich nur noch an wenigen Punkten, den Geldplätzen, [Die man auch in den übrigen Kulturen Börsenplätze nennen kann, wenn man unter Börse das
Denkorgan
einer vollendeten Geldwirtschaft versteht.] in Babylon, Theben, Rom, in Byzanz und Bagdad, in London, New York, Berlin und Paris. Der Rest ist Provinzwirtschaft, die ihre Kreise dürftig im Kleinen zieht, ohne sich des vollen Umfangs ihrer Abhängigkeit bewußt zu sein. Geld ist zuletzt die Form von geistiger Energie, in welcher der Herrscherwille, die politische, soziale, technische, gedankliche Gestaltungskraft, die Sehnsucht nach einem Leben von großem Zuschnitt zusammengefaßt sind. Shaw hat vollkommen recht: »Die allgemeine Achtung vor dem Gelde ist die einzige hoffnungsvolle Tatsache in unserer Zivilisation ... Geld und Leben sind unzertrennlich ... Geld
ist
das Leben.« [Vorwort zu »Major Barbara«.] Zivilisation bezeichnet also die Stufe einer Kultur, auf welcher Tradition und Persönlichkeit ihre unmittelbare Geltung verloren haben und jede Idee zunächst in Geld umgedacht werden muß, um verwirklicht zu werden. Am Anfang war man begütert, weil man mächtig war. Jetzt ist man mächtig, weil man Geld hat. Erst das Geld erhebt den Geist auf den Thron. Demokratie ist die vollendete Gleichsetzung von Geld und politischer Macht.
    Es geht ein Verzweiflungskampf durch die Wirtschaftsgeschichte jeder Kultur, den die im Boden wurzelnde Tradition einer Rasse, ihre
Seele
, gegen den Geist des Geldes führt. Die Bauernkriege zu Beginn einer Spätzeit – in der Antike 700–500, bei uns 1450–1650, in Ägypten am Ausgang des Alten Reiches – sind die erste Auflehnung des Blutes gegen das Geld, das von den mächtig werdenden Städten her seine Hand nach dem Boden ausstreckt. [Vgl. Bd. II, S. 984.] Die Warnung des Freiherrn vom Stein: »Wer den Boden mobilisiert, löst ihn in Staub auf«, deutet auf eine Gefahr
jeder
Kultur; kann das Geld den Besitz nicht angreifen, so dringt es in das bäuerliche und adlige Denken selbst ein; der ererbte, mit

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