Der Untergang
gezwängt
hatte, machte es auch nicht besser. Bason gab ihm jedoch keine Gelegenheit, irgend etwas zu sagen,
sondern steuerte nun mit schnellen Schritten den Wagen seines Stiefvaters an.
Der Wachtposten davor wollte ihm den Weg verwehren, aber Bason wedelte unwillig mit der linken Hand
und deutete mit der anderen auf Andrej. »Das ist Andreas«, sagte er.
»Dein Herr wollte ihn sprechen.«
Der Krieger trat nicht sofort zur Seite, sondern musterte Andrej mit versteinerter Miene. Schließlich
deutete er ein Kopfnicken an und gab wortlos den Weg frei. Bason machte keine Anstalten, den Wagen zu
betreten und sah Andrej nur auffordernd an. Nach kurzem Zögern betrat er den Wagen.
Und erlebte eine Überraschung. Er hatte gewusst, dass Laurus auf ihn wartete und ebenso Schulz, und er
hatte auch geahnt, dass der zweite Krieger wieder mit verschränkten Armen vor der Tür Wache hielt.
Womit er nicht gerechnet hatte, das war die vierte Person im Raum: Es war Pater Flock. Sein Anblick
erschreckte Andrej. Der junge Geistliche saß zusammengesunken und mit auf der Tischplatte
aufgestützten Armen zwischen Schulz und Laurus. Sein Gesicht war grau, zumindest das, was man davon
erkennen konnte, denn sein Kopf, aber auch die Wangen und das Kinn, verbargen sich unter einem fest
angelegten Verband. Dennoch konnte man erkennen, dass sich die hässlichen Schnittwunden darunter
offensichtlich entzündet hatten. In Flocks Augen lag ein fiebriger Glanz, und die Hände, die er fest auf die
Tischplatte presste, zitterten leicht.
»Pater Flock!«, entfuhr es ihm. »Was tut Ihr hier? Seid Ihr wahnsinnig geworden?«
»Schweigt!«, sagte Schulz scharf. »Was fällt Euch ein, in diesem Ton mit einem Mann der Kirche zu
reden?«
Andrej wollte antworten, aber Flock hob rasch die Hand.
»Ist schon gut«, sagte er. »Ich bin sicher, Andreas war nur erschrocken, mich hier zu sehen.«
Schulz funkelte erst ihn, dann Andrej an, und Laurus deutete mit einer herrischen Geste auf den einzigen
noch freien Stuhl am Tisch. Andrej nahm wortlos Platz. »Wie geht es Euch?«, fragte er, in jetzt wieder
beherrschtem Ton und an Flock gewand.
»Ich würde lügen, wenn ich sagte, gut«, antwortete Flock.
»Aber so schlecht, wie Ihr anzunehmen scheint, nun auch wieder nicht.«
»Aber es ist verrückt, den anstrengenden Ritt hierher zu wagen«, sagte Andrej. »Wollt Ihr Euch
umbringen?«
Ein dünnes, nicht besonders überzeugendes Lächeln erschien auf Flocks rissigen Lippen. »Meine Zeit ist
noch nicht gekommen, Andreas«, sagte er. »Und so, wie die Dinge liegen, musste ich hierher kommen.
Auch in Eurem Interesse.«
»Das ist genug«, sagte Schulz. »Ihr werdet mir ein paar Fragen beantworten, Andreas, und Ihr werdet es
sofort tun und ohne Ausflüchte.«
»Wenn ich es kann«, antwortete Andrej. Er versuchte, einen Blick mit Laurus zu tauschen, aber der Sinti
wich ihm aus. Er wirkte niedergeschlagen.
»Das hoffe ich für Euch«, sagte Laurus. »Es könnte sein, dass Euer Leben von diesen Antworten abhängt,
Andreas. Und möglicherweise nicht nur Eures.«
»Ich nehme an, es geht um gestern Abend«, sagte Andrej.
Schulz schwieg. Sein Blick wurde lauernd.
»Ich weiß nicht, was man Euch erzählt hat, Schulz«, sagte Andrej. »Aber wenn Ihr den armen Pater Flock
mitgebracht habt, um Euch davon zu überzeugen, dass es nichts mit Hexerei oder schwarzer Magie zu tun
hat, dann habt Ihr ihm den anstrengenden Weg umsonst zugemutet. Ich versichere Euch, es war nur ein
Taschenspielertrick.«
»Den Ihr mir zweifellos verraten werdet«, vermutete Schulz.
»Das könnt ihr nicht im Ernst erwarten«, erwiderte Andrej lächelnd. »Ihr wisst doch, dass wir Gaukler
unsere Tricks niemals verraten.«
»Das einzige, was ich wirklich weiß, Andreas«, sagte Schulz leise, »ist, dass Ihr bestimmt kein Gaukler
seid. So wenig wie Euer schwarzer Freund.« Seine Stimme wurde eine Spur kälter. »Ich bin nicht hierher
gekommen, um meine Zeit zu vergeuden, Andreas. Und auch nicht, um mich mit Euch über
Taschenspielertricks zu unterhalten.«
»Weshalb dann?«, fragte Andrej.
»Es hat einen weiteren Toten gegeben«, sagte Laurus leise.
Andrej fuhr überrascht zu dem Sinti herum. »Wann? Wo?«
»Heute Nacht«, sagte Laurus. »Und nicht einmal weit von hier.«
»Und was … haben wir damit zu schaffen?«, fragte Andrej zögernd.
»Das frage ich Euch«, antwortete Schulz. »Vielleicht nichts. Vielleicht aber auch alles … Bedankt Euch
bei Pater Flock, dass ich Euch und Euren Freund nicht gleich in Ketten
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