Der Untergang
Stand zu
halten. »Aber sie sind nicht… nicht wie ich.«
Andrejs Blick verdüsterte sich. »Die Inquisition.«
Flock nickte stumm.
»Wer?«, wollte Andrej wissen - als ob diese Frage noch einer Antwort bedurft hätte!
»Schulz hat versucht, es zu verhindern«, sagte Flock. »Er ist ein harter Mann, aber kein Dummkopf. Er
weiß, dass die Inquisition nur Leid bringt, auch und manchmal gerade denen, die sie zu beschützen
vorgibt. Aber nachdem Handmanns Mühle niedergebrannt ist -«
»Wie bitte?«, unterbrach ihn Andrej. »Die Mühle ist niedergebrannt?«
»Gestern Abend«, bestätigte Flock. »Während Ihr alle hier gefeiert habt.«
»Dann kann es keiner von uns gewesen sein«, sagte Andrej.
»Wir waren alle hier.«
Flock machte ein abfälliges Geräusch. »Es sollte mich nicht wundern, wenn Handmann sie selbst
angezündet hat. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Einer seiner Söhne ist losgeritten, um den
zuständigen Inquisitor zu benachrichtigen, und es kann nicht mehr lange dauern, bis sie hier sind.
Vielleicht heute Abend schon, spätestens aber morgen früh.«
Er schnaubte. »Wenn es darum geht, den Teufel mit Feuer und Schwert auszutreiben, sind meine Brüder
meist sehr schnell.«
Schon die bloße Erwähnung des Wortes Inquisition reichte aus, um in Andrej auch noch den allerletzten
Rest von Sympathie auszulöschen, die er für den jungen Geistlichen empfunden haben mochte. Flock
mochte ja annehmen, dass er gar nicht wusste, mit welcher Mischung von Hass und Furcht ihn die
Erwähnung von Dämonen und dem Teufel erfüllten, aber das stimmte nicht. Andrej wusste sehr wohl, was
in diesem Moment in dem jungen Geistlichen vorging. Nur hatte er längst aufgehört, an den Teufel zu
glauben. Für ihn hatte der Teufel ein Gesicht und trug ein Gewand, und seine Schergen nannten sich nicht
Dämonen oder höllische Heerscharen, sondern Inquisition. »Ist Euch klar, dass es Euren Tod bedeuten
kann, wenn irgend jemand erfährt, dass Ihr uns gewarnt habt?«
»Ich glaube fest daran, dass ich das Richtige tue«, antwortete Flock. »Und wenn es so ist, dann wird Gott
mich beschützen.«
»Verzeiht, wenn ich in diesem Punkt skeptisch bin, Hochwürden«, sagte Andrej spöttisch. »Aber ich habe
leider andere Erfahrungen gemacht.«
Flock sah ihn sehr ernst an. »Ich werde dich nicht fragen, was man dir angetan hat«, sagte er. »Aber mir
ist klar, dass es etwas Schlimmes sein muss. Lass nicht zu, dass anderen noch schlimmeres Unheil
geschieht, nur, weil man dir so großen Schmerz zugefügt hat.«
Das Geräusch schwerer Schritte, die rasch näher kamen, hielt Andrej davon ab, zu antworten. Er drehte
sich herum und zog überrascht eine Augenbraue hoch, als er Abu Dun erkannte. Der Nubier hatte sich
mittlerweile aller Verbände entledigt und trug wieder seinen gewaltigen schwarzen Turban, der ihn noch
größer und beeindruckender erscheinen ließ, als er ohnehin schon war, und als ob sein ebenholzschwarzes
Gesicht nicht schon finster genug wirkte, gab er sich alle Mühe, Andrej und Flock abwechselnd fast
drohend anzustarren. »Löst ihr gerade alle Probleme dieser Welt, oder hat dein neuer Freund dich
überredet, dich endlich taufen zu lassen und in Zukunft in einem Kloster zu leben?«, fragte er.
Andrej antwortete nicht gleich, obwohl ihm eine wütende Entgegnung auf der Zunge lag. Abu Dun wollte
ihn reizen, aber diese Worte hatten eine andere Qualität, als die kleinen Sticheleien, die praktisch zu ihrem
täglichen Umgangston gehörten. Das, was Abu Dun Flock gerade - und gewiss nicht unabsichtlich verraten hatte, war gefährlich. Was versprach er sich davon, die Lage noch zu verschlimmern?
Aber auch Flock schwieg dazu und sah den Nubier mit einem schwer deutbaren Gesichtsausdruck an.
Schließlich stieß er sich ächzend vom rauen Holz des Wagens ab und begann sich mit schleppenden
Schritten zu entfernen. Andrejs erster Impuls war, ihm nachzueilen, um ihn zu stützen.
Stattdessen aber blieb er stehen, bis Flock außer Hörweite war und drehte sich dann langsam zu Abu Dun
herum. »Was sollte das?«, fragte er.
»Oh, entschuldige«, sagte Abu Dun hämisch. »Habe ich die beiden Turteltäubchen in einem
entscheidenden Moment gestört?«
Andrej schluckte auch die Entgegnung auf diese Bemerkung herunter, obwohl es ihm immer schwerer fiel,
nicht einfach zu explodieren. Es schien, Abu Dun wollte genau das erreichen, und Andrej hatte keine
Ahnung, warum. »Wo warst du heute Nacht?«, fragte er.
»Heute Nacht?« Abu Dun hob die
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