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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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denn eine war und kein Fluch - zu erforschen, war auch er in der
Lage, die Nähe eines anderen Unsterblichen zu spüren, und deutlicher, je mächtiger dieser war. Vielleicht
war das auch der Grund, aus dem er Basons Behauptung, sie wären beide von der gleichen Art noch
immer nicht traute. Selbst jetzt, da er den Beweis mit eigenen Augen gesehen hatte, fühlte er in Gegenwart
der beiden jungen Sinti nichts dergleichen. Abgesehen vielleicht von dem immer noch präsenten Gefühl
einer tiefen Verbundenheit, die weit über bloße Sympathie hinausging.
»Was ist mit ihr geschehen?«, fragte er.
»Das, was mit den meisten geschieht«, antwortete Bason traurig. »Sie sind gestorben, genau wie Anka
gesagt hat. Wie fast alle, die wir im Laufe der Jahre getroffen haben.«
Andrej blickte verständnislos.
»Es gibt einige unter uns, die es als einen Segen betrachten«, fuhr Bason fort. »Aber für die meisten ist es
ein Fluch, und für die allermeisten bedeutet es den Tod.« Er machte eine Kopfbewegung auf seinen
Bruder, der hinter Andrej stand. »Wie alt würdest du uns schätzen, Andreas?«
Andrej hob die Schultern. Er hatte sich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie alt die Zwillinge sein
mochten, aber er glaubte nicht, dass es mehr als zwanzig Jahre waren, und nach kurzem Überlegen sagte
er das auch.
Basons Lächeln wurde noch bitterer. »Wir sind einundfünfzig, Andreas«, sagte er. »Ich sogar eine Minute
älter als mein Bruder.«
Andrej schwieg.
»Wir hatten elf Brüder und fünf Schwestern, Elena nicht mitgerechnet«, fuhr Bason fort. »Sie alle sind
gestorben, als sie vom Kind zum Mann oder zur Frau wurden und ihre Zeit gekommen war. So geht es den
meisten. Sie werden krank und sterben. Die, die Glück haben, schnell, aber bei manchen dauert es oft
Jahre.«
»Ihr seht nicht aus, als hättet ihr gerade erst den Schritt vom Kind zum Mann vollzogen«, sagte Andrej.
Bason sah ihn leicht verwirrt an, antwortete aber trotzdem: »Es ist an die vierzig Jahre her. Wir sind nicht
unsterblich, Andreas, wie du. Man kann uns töten, und wir altern.« Er hob die Hand. »Aber unsere
Wunden heilen schneller, und wir altern viel langsamer als die anderen.«
»Woher weißt du das?«, fragte Andrej. »Dass ich unsterblich bin?«
»Von Anka«, antwortete Bason. »Sie hat es uns gesagt. Hat sie Recht?«
Andrej überlegte einen Moment und hob dann die Schultern. Er hätte den beiden sagen können, dass er
selbst nicht annähernd so viele Jahre zählte wie sie, ja, noch nicht einmal alt genug, um wirklich mit
Sicherheit sagen zu können, ob er ebenfalls so langsam alterte wie die Zwillinge. Aber aus irgendeinem
Grund schreckte er davor zurück.
»Und … Elena?«, fragte er.
»Sie ist unsere Schwester«, sagte Rason. »Die Älteste aus der Familie. Und jetzt quäle mich bitte nicht
weiter. Geh zu Elena und frage sie selbst.« Er versuchte zu grinsen, aber das Ganze geriet zu einer
traurigen Grimasse. »Sie kratzt mir die Augen aus, wenn ich dir verrate, wie alt sie wirklich ist. Was das
angeht, ist sie eine ganz normale Frau, musst du wissen.
Bitte frage sie selbst.«
»Das werde ich tun«, versprach Andrej düster. »Verlass dich darauf.«
Ganz egal, was er noch vor Augenblicken gedacht hatte, und ganz egal, welche Folgen es haben mochte für ihn, für Elena und Laurus und alle anderen hier - Andrej bewegte sich im Sturmschritt zurück zu
Elenas und Laurus’ Wagen, um sie auf der Stelle zur Rede zu stellen, ob Schulz und Flock nun dabei
waren oder nicht.
Hinter seiner Stirn tobte ein Chaos aus unterschiedlichsten Gefühlen, und er war sich noch nicht einmal
selbst darüber im Klaren, welcher Art sie waren. Da waren Zorn und Enttäuschung, aber auch eine
maßlose, an Raserei grenzende Hoffnung, und noch vieles andere, Gefühle, die ihm zum Teil bis zu diesem
Moment fremd gewesen waren, und die ihm zum Teil Angst vor sich selbst machten. Vielleicht war er am
Ziel seiner Suche angelangt, vielleicht aber auch an einer Weggabelung, deren Existenz er sich bisher
nicht hatte eingestehen wollen.
Und er hätte etwas wirklich Dummes und Folgenschweres getan, wäre in diesem Moment nicht die Tür
des Wagens aufgegangen und Schulz, dicht gefolgt von Laurus und seinem bewaffneten Begleiter,
herausgetreten.
»Es ist alles in Ordnung, Andreas«, sagte Laurus; eine Spur zu laut und zu beiläufig, wie Andrej fand. Er
war sich nicht sicher, ob der Ausdruck in Laurus’ Augen warnend, beruhigend oder fast schon flehend zu
nennen war, aber er wollte ihm

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