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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach vorne und schlugen unsanft auf der harten Platte eines Tisches
auf, er hörte Schritte, dann andere, scharrende Geräusche, ein Poltern, und schließlich eine dritte Stimme,
die er zu seinem Erstaunen als die von Laurus identifizierte.
»Es ist genug. Ihr könnt gehen.«
»Aber -«, protestierte Bason.
»Wartet draußen!«, unterbrach ihn Laurus. »Habt ihr nicht verstanden?«
Wieder dieses Scharren, ein unmutiges Murren und dann das dumpfe Zuschlagen einer Tür. Für eine
Weile geschah nichts, dann ergriff eine Hand brutal sein Haar und riss seinen Kopf nach oben und in den
Nacken. »Siehst du, Unsterblicher«, sagte Laurus’ Stimme, »so schnell können sich die Dinge ändern. Wo
ist jetzt deine Überheblichkeit?«
Andrej hätte nicht einmal geantwortet, wenn er es gekonnt hätte. Er verstand nicht, was hier vorging. Er
war selbst zu schwach, um wirklich zu erschrecken, allenfalls, dass er eine sachte Verwunderung
verspürte.
Mit aller Kraft versuchte er, zumindest die Augen zu öffnen, doch nicht einmal das gelang ihm. Seine
Lider schienen Zentner zu wiegen, und auch, wenn er spürte, dass der winzige Funke in ihm ein wenig
heller zu glühen begann, so würde es doch noch lange dauern, vielleicht Stunden, bis er auch nur die Kraft
aufgebracht hätte, den Kopf zu heben.
Sein Schweigen schien Laurus noch wütender zu machen, denn er schlug ihm zwei-, drei-, viermal
hintereinander mit der flachen Hand und mit großer Kraft ins Gesicht, sodass Andrejs Kopf hin und her
rollte und er vom Stuhl gefallen wäre, hätte Laurus ihn nicht zugleich auch festgehalten. »Ich könnte jetzt
so großmütig sein wie du und sagen, dass ich nichts tun und einfach warten werde«, fuhr Laurus mit
zitternder Stimme fort. »Aber ich bin ja nur ein sterblicher Mensch, dessen Tage begrenzt sind, weißt du?
Ich kann mir so viel Geduld nicht leisten.«
Diesmal schlug er mit der Faust ins Gesicht. Andrej spürte, wie seine Lippen aufplatzten und salziges Blut
über sein Kinn lief. Er war immer noch unfähig, darauf zu reagieren.
»Du spielt gern den harten Mann, wie?«, höhnte Laurus.
»Nun, wollen wir sehen, wie hart du wirklich bist?« Er schlug ihn noch einmal, und noch sehr viel härter.
Diesmal lief das Blut nicht nur an seinem Kinn herab, sondern füllte auch seinen Mund und rann salzig
und warm in seine Kehle.
Und irgend etwas tief in ihm reagierte auf den bitteren Kupfergeschmack.
Was immer Elena ihm auch genommen hatte, sie war nicht bis auf den tiefsten Grund seiner Seele
gekommen. Sein düsterstes Geheimnis, das Gefängnis, in dem die Bestie lauerte, war noch da, die Tür zu
diesem sichersten aller Verliese unberührt, vielleicht unentdeckt.
»Ich hätte Lust, dich zu Tode zu prügeln«, sagte Laurus und schlug ein drittes Mal zu, um seine Worte
unverzüglich zu beweisen. »Aber ich glaube, das würde Anka nicht gefallen.«
Er lachte böse. »Vielleicht tue ich es ja doch gleich und fasse mich in Geduld. Ja, das werde ich tun. Ich
werde einfach dastehen und zusehen, was Anka mit dir tut, und wer weiß, vielleicht ist es das erste Mal,
dass ich den Anblick wirklich genieße.«
»Das reicht«, sagte eine scharfe Stimme. »Er kann dich nicht hören, du Narr. Und wenn er es könnte,
dann könnte er nicht antworten.«
Laurus antwortete nicht darauf, aber Andrej konnte hören, wie er scharf die Luft einsog. Seine Hand ließ
Andrejs Haar los, sodass er wieder nach vorne sank und sein Gesicht erneut und schmerzlich hart auf die
Tischplatte prallte. Und das warme Blut lief weiter seine Kehle hinab. Er konnte jeden Fingerbreit des
Weges spüren, den es nahm, wie eine brennende Spur, die es in sein Fleisch brannte.
»Lass das, du Dummkopf«, sagte Ankas Stimme. Sie war leise und zitterte, so wie immer, und doch war
etwas darin, das Andrej erschauern ließ. »Richte ihn auf.« Er wurde erneut grob in die Höhe gezerrt, dann
trat Laurus hinter ihn und legte ihm beide Hände auf die Schultern, damit er nicht zur Seite kippte. Er
konnte hören, wie Anka mit schlurfenden Schritten näher kam und sich einen Stuhl heranzog, um sich an
der gegenüberliegenden Seite des Tisches niederzulassen. Aus der winzigen Glut in ihm war jetzt ein
Flämmchen geworden. Er war noch weit davon entfernt, etwas zu spüren, das man als Kraft bezeichnen
konnte, aber seine Sinne erwachten nach und nach.
Er konnte Laurus’ scharfen Schweiß hinter sich riechen, aber auch den säuerlichen Geruch der
hundertzwanzigjährigen Frau auf der anderen Seite des Tisches. Und

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