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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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klar, was geschehen
war. Er spürte das, was andere gespürt hatten, wenn er ihre Lebenskraft nahm.
Wieder spürte er, wie sich Hände an ihm zu schaffen machten.
Er wurde unsanft an den Armen gepackt und über den Boden geschleift, und jetzt hörte er auch Stimmen,
Stimmen, die ihm vage bekannt vorkamen, ohne dass er sie zuordnen konnte, und Worte in einer Sprache,
die er zwar verstand, die aber trotzdem im ersten Moment keinen Sinn zu ergeben schienen.
Dann wurde er so grob fallen gelassen und prallte gegen etwas, dass der Schmerz wie eine kleine
Explosion den erstickenden Mantel aus Mattigkeit durchbrach, der sich um seine Gedanken gelegt hatte.
Er hatte nicht die Kraft, zu stöhnen, geschweige denn, die Augen zu öffnen, aber als die lodernde Qual
allmählich verebbte, erkannte er zumindest eine der Stimmen wieder, und nur einen Moment später
ergaben ihre Worte auch Sinn, wenn auch sonderbarer Weise nur die dieser einen Stimme, die Bason
gehörte. »Wieso lebt er noch? Sie hat gesagt, sie würde es zu Ende bringen.«
Eine andere Stimme antwortete, ihr Besitzer ebenso unbekannt wie die Worte unverständlich, dann
wieder Bason: »Wozu?«
Jemand trat ihn in den Leib. Der Tritt war so wuchtig, dass zwei oder drei seiner Rippen brachen. Andrej
registrierte den Schmerz, aber er war nebensächlich, denn er bemerkte etwas viel Alarmierenderes: Die
zerbrochenen Knochen blieben zerbrochen. Sein Körper begann nicht damit, sich zu regenerieren, als
wäre ihm auch diese Kraft genommen worden. Vielleicht war sie es.
Bason: »Das wird ihr nicht gefallen. Wir sollten ihm den Kopf abschlagen und ihn irgendwo vergraben.«
»Du hast gehört, was ich gesagt habe. Mir gefällt es ebenso wenig, aber es ist auch sehr erstaunlich. Wir
bringen ihn zu Anka.« Andrej konnte die zweite Stimme immer noch nicht identifizieren, aber er
vermutete, dass es die Rasons war.
Verzweifelt versuchte er, die Lider zu heben, aber es ging nicht. Selbst diese kleine Anstrengung war
hundertmal mehr, als er im Moment vollbringen konnte.
»Elena wird nicht erfreut sein, wenn sie das hört«, sagte Bason.
»Elena«, erwiderte die andere Stimme, die er für die Rasons hielt, »hat ihn schließlich am Leben gelassen.
Vielleicht ist an ihm ja etwas Besonderes.«
»Ja. Er ist besonders gefährlich.« Andrej konnte hören, wie Bason heftig den Kopf schüttelte, und nur
einen Moment später traf ihn ein zweiter, womöglich noch härterer Tritt in die Seite. Diesmal brach ihm
die Stiefelspitze keinen weiteren Knochen, aber der Schmerz war schlimmer als das erste Mal.
»Ich traue ihm nicht.«
Trotz dieser eindeutigen Worte wurde Andrej nur einen Moment später grob an den Armen gepackt und
davongeschleift. Er konnte spüren, wie der raue Boden, über den er gezerrt wurde, seine Haut aufriss und
Blut über seinen zerschundenen Rücken lief, aber er fürchtete den Schmerz jetzt nicht mehr, sondern war
im Gegenteil dankbar dafür, und sei es nur, weil ihm diese Qual bewies, dass er noch am Leben war und
dass es vielleicht doch noch ein Zurück gab. Immer verzweifelter versuchte er, sich zum Aufwachen zu
zwingen, seinen Körper bewusst dazu zu bringen, was er bisher immer ganz von selbst getan hatte,
nämlich seine Verletzungen zu heilen und die Schwelle des Todes mit der zum Leben zu tauschen, aber es
ging nicht. Etwas in ihm war einfach nicht mehr da. Vielleicht war er sterblich geworden.
Wieder drohte er für einen kurzen Moment, endgültig ins Nichts hinüberzugleiten, spürte die Berührung
jener unsichtbaren und auch für ihn endgültigen Grenze, und die Verlockung der ewigen Stille und des
allumfassenden Vergessens und Friedens auf der anderen Seite. Aber da war noch irgend etwas, das ihn
zurückhielt, ein winziger Funke, tief unter der fast erloschenen Glut seiner Lebensflamme, die sich einfach
weigerte, auszugehen, vielleicht das Wissen, dass es da noch etwas gab, was erledigt werden musste,
etwas, das wichtiger war als sein eigenes Leben.
Die Stimmen und Geräusche begannen erneut zu verschwimmen, und auch die Schmerzen, die ihm
zugefügt wurden, verloren an Bedeutung. Sein geschundener Rücken blutete noch immer, und die
gebrochenen Rippen bohrten sich wie kleine, spitze Messer tiefer in seine Brust. Aber Andrej war nur
noch in der Lage, zu registrieren, nicht mehr, irgend etwas dagegen zu tun oder sich gar zu wehren.
Er spürte, wie er eine kurze Treppe hinaufgeschleift und dann grob auf einen Stuhl gestoßen wurde. Sein
Kopf und sein Oberkörper sanken

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