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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Erinnerung daran war verschwunden.
»Was hast du?«, fragte Elena. Sie klang verwirrt.
Andrej setzte sich bewusst umständlich auf, um Zeit zu schinden, und rückte gerade so weit von ihr ab,
dass es nicht unhöflich wirkte. »Nichts«, sagte er. »Entschuldige. Ich …
ich war nur überrascht.«
»Hast du jemand anderen erwartet?«, fragte Elena lachend.
»Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich niemanden erwartet«, antwortete Andrej. »Auch dich nicht.«
Elena runzelte die Stirn. »Wie soll ich das verstehen?«
»Ich habe mit Laurus gesprochen«, sagte Andrej. »Er weiß von uns.«
»Natürlich weiß er von uns.«
»Woher?«
»Er ist mein Mann«, sagte Elena. »Ich habe es ihm erzählt.«
»Du hast es -?« Andrej stockte buchstäblich der Atem.
Ungläubig riss er die Augen auf.
»Jetzt sag nicht, dass du Angst vor ihm hast«, sagte Elena.
»Das brauchst du nicht.«
»Aber … wieso hast du das getan?«, murmelte Andrej fassungslos. Wusste sie denn nicht, was sie Laurus
damit antat?
Und damit letzten Endes auch ihm? Wie sollte er eine Frau lieben, die den Mann, dem sie schließlich
irgendwann einmal die Treue versprochen hatte, so erniedrigte?
»Wäre es dir lieber, ich hätte ihn belogen?«, fragte Elena und beantwortete ihre eigene Frage sogleich mit
einem Kopfschütteln. »Laurus und ich haben uns niemals etwas vorgemacht, Andreas. Und das wird auch
so bleiben.«
Als er nicht antwortete, lachte sie leise und versuchte, die Arme um seinen Hals zu schlingen und ihn
erneut zu küssen, doch wieder schob Andrej sie von sich fort. »Nein«, sagte er.
»Ich kann das nicht.«
»Gestern konntest du es aber noch ganz gut«, sagte Elena.
»Und falls du das eine oder andere vergessen haben solltest, bin ich gerne bereit, deine Erinnerungen
aufzufrischen.«
»Ich meine es ernst. Nicht, solange Laurus hier ist.«
Elena blinzelte. Sie wirkte verwirrt, als verstünde sie wirklich nicht, wovon er sprach. »Was soll das
heißen? Willst du damit sagen, dass du kein Problem damit hattest, meinen Mann zu hintergehen,
wohingegen du es nicht über dich bringst, etwas zu tun, wovon er weiß?«
»Ich hätte es anders formuliert, aber es läuft ungefähr darauf hinaus«, antwortete Andrej. Er bemühte sich
um einen möglichst sachlichen Ton, aber natürlich gelang es ihm nicht.
Ebenso wenig wie es ihm gelang, seinen Blick von Elenas Körper loszureißen, der von silbernem
Mondlicht überschüttet unendlich verlockend direkt vor ihm saß. Dennoch fuhr er fort:
»Wir können das nicht mehr tun, Elena.«
»Ich verstehe dich nicht«, sagte Elena. »Wo ist der Unterschied? Ich meine: Ich erwarte ein Kind von dir,
Andreas.
In wenigen Monaten wird es jeder sehen. Selbst, wenn ich Laurus belügen wollte, wüsste er spätestens
dann Bescheid. Wäre dir das lieber?«
»Lieber wäre mir, wenn es gar nicht geschehen wäre«, murmelte Andrej.
»Oh«, sagte Elena, »das habe ich -«
»So war das nicht gemeint«, sagte Andrej hastig. »Ich bedaure keine Sekunde. Es ist nur … Ich kenne
Laurus nicht sehr gut. Aber ich glaube, dass er ein aufrechter Mann ist. Er hat es nicht verdient, so
gedemütigt zu werden.« So wenig wie ich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Elena nicht begriff, was sie
da von ihm verlangte, und was es sowohl für Laurus als auch ihn bedeuten musste. Wieso war sie so
grausam?
»Und was willst du jetzt tun?«, fragte sie leise. Sie rutschte ein kleines Stück näher, versuchte aber nicht
mehr, ihn zu berühren.
»Du kannst nicht so tun, als wäre nichts geschehen, Andreas.«
»Ich weiß«, sagte Andrej. »Mach es mir nicht so schwer, Elena, ich flehe dich an. Ich weiß nicht, was ich
tun werde oder sollte. Vielleicht sollten wir einfach eine Weile abwarten.«
Elena sah ihn sicher eine halbe Minute lang fast ausdruckslos an, und mit ebenso ausdrucksloser Stimme
flüsterte sie schließlich:
»Eine Weile. Und was genau verstehst du unter >einer Weile<, Unsterblicher?«
»Nicht viel weniger als du«, sagte Andrej. »Gib mir etwas Zeit, um nachzudenken, Elena.«
»Gefalle ich dir nicht mehr?«, fragte sie.
Täuschte er sich, oder war da ein ganz leiser, aber scharfer Unterton in ihrer Stimme, den er bisher noch
nie bei ihr vernommen hatte?
Sie schnappte hörbar nach Luft. »Ich verstehe. Du hast deinen Spaß gehabt, und jetzt -«
»Aber das ist doch nicht wahr!«, sagte Andrej. Schon, um seine Worte zu bekräftigen, streckte er die
Hand aus und wollte ihren Arm ergreifen, aber Elena machte sich unwirsch los und rutschte wieder

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