Der Untergang
los?«
Laurus’ Stirnrunzeln wurde noch tiefer. Einen Moment lang starrte er zu Boden, dann schnaufte er hörbar
und nickte knapp.
»Nichts«, sagte er. »Du hast Recht, Andreas. Der Mann ist ein Narr.« Zwei, drei Sekunden lang schwieg
er, und dann konnte Andrej förmlich sehen, wie er sich einen inneren Ruck gab, um das Thema zu
wechseln. »Bason hat mir erzählt, dass du angefangen hast, den Wagen herzurichten?«
Andrej nickte. Ihm war wirklich nicht danach zumute, über den Wagen zu sprechen, und auch Bason und
sein Bruder wirkten wegen des krassen Themenwechsels leicht irritiert.
»Das ist gut«, sagte Laurus. »Ich nehme an, das bedeutet, dass Ihr bei uns bleibt? Wenigstens für eine
Weile?«
»Vielleicht«, antwortete Andrej ausweichend.
»Wenn es so ist, dann ist es an der Zeit, dass wir eine Aufgabe für dich finden, Andreas«, sagte Laurus.
»Ich hatte gehofft, dass du Elena begleiten könntest, um ihr bei ihren Geschäften zu helfen, aber vielleicht
ist es besser, wenn ich das auch weiterhin selbst tue.«
Bei ihren Geschäften helfen, oder sie begleiten?, dachte Andrej, hütete sich aber, die Frage laut
auszusprechen.
»Bason sagte mir, dass du vielleicht in unserem Stück mitwirken könntest«, fuhr Laurus fort. »Ich halte
das für eine gute Idee.
Wir erwarten heute Abend die ersten Gäste. Es werden viele Menschen kommen, aus dem Dorf, aber
auch aus der Stadt, und eine neue Attraktion ist immer gut. Bist du auch so ein Meister mit dem Schwert
wie dein schwarzer Freund?«
Andrej tauschte einen überraschten Blick mit Bason, der ein Stück hinter Laurus stand und ihn mit
unverhohlener Schadenfreude musterte. Und gerade, als Andrej zu einer abschlägigen Antwort ansetzen
wollte, deutete Bason ein Nicken an und machte zugleich eine winzige Geste in die Richtung, in der
Andrej Ankas Wagen wusste. Und zu seiner eigenen Überraschung hörte er sich sagen: »Ich bin kein
Schauspieler, Laurus. Aber ich kann recht ordentlich mit dem Schwert umgehen, das ist richtig.«
»Mehr ist auch nicht nötig«, sagte Laurus. »Ich will Bason nicht zu nahe treten, aber seine Stücke werden
wohl nie an den großen Theatern der Welt aufgeführt werden.«
»Weil die Welt ungerecht ist«, warf Bason ein. »Außerdem ist es das Schicksal großer Künstler, zu
Lebzeiten niemals die Anerkennung zu finden, die ihnen gebührt.«
Laurus ignorierte ihn. »Wenn Ihr bleiben wollt, müsst ihr für Unterkunft und Essen arbeiten«, sagte er.
»Vielleicht sollten wir es versuchen. Sagen wir, solange wir hier lagern … also für eine Woche, vielleicht
weniger, vielleicht mehr. Danach könnt ihr entscheiden, ob ihr bleiben wollt. Und wir, ob ihr es dürft.«
Erstaunt hob Andrej eine Augenbraue. Laurus hatte ihm und Abu Dun nie so etwas wie übertriebene
Zuvorkommenheit oder gar Freundschaft entgegengebracht, aber bei seinen letzten Worten hatte eindeutig
so etwas wie eine Drohung mitgeschwungen, die er sich nicht erklären konnte. Der Sinti gab ihm jedoch
keine Gelegenheit zur Nachfrage, sondern erklärte das Thema mit knapper Geste für beendet und ging
davon.
Andrej sah ihm nach, bis er in dem Wagen verschwunden war, den Elena und er bewohnten, dann drehte
er sich verärgert zu Bason herum.
»Du hast mich reingelegt.«
Bason grinste. »Nur ein bisschen.«
»Ich meine es ernst, Bason«, sagte Andrej. »Ich schätze es nicht, wenn man versucht, mich zu
übertölpeln.«
»Wieso? Es hat doch geklappt«, feixte Bason.
Andrej setzte zu einer zornigen Antwort an, aber dann beließ er es bei einem fast resignierten Seufzen.
Vermutlich hatte es keinen Zweck, mit dem Jungen zu diskutieren. Und wie schon zuvor, so musste er sich
auch jetzt eingestehen, dass er Bason nicht wirklich böse war. Er - wie auch sein Bruder - hatte irgend
etwas an sich, das es ihm unmöglich machte, ernsthaft wütend auf ihn zu werden. Und so sagte er nur:
»Du weißt nicht, worauf du dich einlässt.«
»Das wird sich zeigen«, meinte Bason. »Jetzt geh zu meinem Bruder und lass dir ein Kostüm geben. Es
sind nur noch ein paar Stunden bis zur ersten Vorstellung, und du hast noch eine Menge Text zu lernen.«
Was Bason als »Kostüm« bezeichnet hatte, erwies sich als fast zur Farblosigkeit verblasster, löchriger
Fetzen, der so übel roch, dass Andrej ihn nur mit spitzen Fingern anhob und dann angewidert wieder fallen
ließ. Tatsächlich hatte das Ding so wenig Ähnlichkeit mit einer Uniform wie die aus Pappmaschee und
Holz zusammengestümperte Spielzeugstaffage mit echten
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