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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Rüstungen. Darüber hinaus bestand sein so
genannter »Text« aus gerade einmal vier Sätzen, von denen drei keinen Sinn ergaben.
Stirnrunzelnd studierte Andrej den schmutzigen Zettel mit den hingekritzelten Zeilen. Da trat Rason zu
ihm und ließ sich zu einer Bemerkung hinreißen, die Andrej klar machte, dass dieser von den
künstlerischen Fähigkeiten seines Bruders auch nicht sonderlich angetan war. Mehr noch, er stellte Andrej
anheim, sich doch einfach selbst einen Text auszudenken. Andrej schwieg dazu - was Rason nicht weiter
zu überraschen schien - und verließ den Wagen, um sich auf die Suche nach Bason zu machen. Ihr
Abkommen mochte ein wenig einseitig zustande gekommen sein, aber es bestand dennoch aus zwei
Teilen. Und er würde darauf pochen, dass Bason auch den seinen einhielt.
Er durchquerte das Lager, fand Bason jedoch weder in seinem Wagen noch bei den anderen, die emsig
mit den Vorbereitungen für den Abend beschäftigt waren, und er wollte sich gerade wenn auch widerwillig
- auf den Weg zu Laurus’ Wagen machen, um sich dort nach dessen Stiefsohn zu erkundigen, als er
plötzlich das intensive Gefühl hatte, beobachtet zu werden.
Es war nicht das erste Mal, seit Abu Dun und er hierher gekommen waren. Auch, wenn sich die Sinti alle
Mühe gaben, freundlich zu sein, so waren und blieben sie doch Fremde, die immer wieder mit teils
neugierigen, teils skeptischen Blicken verfolgt wurden. Dieses Gefühl jedoch war anders. Er wurde nicht
nur einfach beobachtet, er wurde angestarrt, belauert und mit durch und durch bösartigem Blick verfolgt.
Tatsächlich war es das gleiche Gefühl, das ihn gestern Abend im Wald beschlichen hatte, als er neben dem
kleinen See stand, nur ungleich intensiver und zorniger …
So gelassen wie möglich kam Andrej zum Stehen und drehte sich einmal langsam um die eigene Achse,
wobei er seinen Blick aufmerksam über das Lager und jeden einzelnen seiner Bewohner schweifen ließ.
Nichts war anders als sonst, Und tatsächlich hatte dieses unheimliche Gefühl seinen Ursprung auch nicht
hier. Er betrachtete einen Moment lang die Straße und die dahinter gelegenen ersten Häuser des Ortes,
dann den nahen Waldrand auf der anderen Seite. Er konnte nicht sagen, aus welcher Richtung das ungute
Gefühl, beobachtet zu werden, kam, doch dann glaubte er für einen ganz kurzen Moment eine Bewegung
wahrzunehmen: Ein Schatten, der nicht da sein sollte, ein kaum sichtbares Huschen, das Wippen eines
Zweiges, der sich in der windstillen Luft eigentlich nicht bewegen durfte …
Er hatte genug gesehen. Betont gemächlich ging er zu dem Zelt zurück, in dem außer seinen Satteltaschen
und Kleidern auch das Schwert lag und schnallte sich den Gurt nebst Waffe um. Sodann schlenderte er
scheinbar ziellos in Richtung Pferdekoppel; nicht direkt auf den Wald zu, aber doch in einem Winkel, der
ihn nahe genug heranbringen würde, um seine Beobachtung zu verifizieren.
Das Gefühl, angestarrt zu werden, war noch immer da, wenngleich nicht mehr ganz so intensiv wie noch
vor einem Augenblick. Und neben dem Eindruck des Belauertwerdens spürte Andrej noch etwas: Gefahr,
die herauf zog - wie die drückende Luft vor einem Sommergewitter, noch bevor sich die erste Wolke am
Horizont zeigt. Er sah halb zu Boden, halb in Richtung der Pferdekoppel, behielt aber den Waldrand aus
den Augenwinkeln im Blick. Er war sicher: Irgendetwas war dort. Und vielleicht hatte Abu Dun ja Recht.
Vielleicht waren diese Leute keineswegs so harmlos, wie es den Anschein hatte.
Worauf er den ganzen Tag vergebens gewartet hatte, das geschah nun, im ungünstigsten aller denkbaren
Augenblicke: Er hatte die Strecke zur Koppel fast zur Hälfte zurückgelegt, als ihm eine riesenhafte, ganz
in Schwarz gekleidete Gestalt den Weg vertrat. »Wir müssen miteinander reden, Hexenmeister«, sagte
Abu Dun.
»Nicht jetzt«, antwortete Andrej. Er versuchte um Abu Dun herum zu gehen, aber der Nubier machte
einen raschen Ausfallschritt, sodass er stehen bleiben musste.
»Ganz genau jetzt«, erwiderte Abu Dun gereizt. »Es sei denn, du willst -«
»Nicht jetzt!«, zischte Andrej. Wohl wissend, dass er noch immer beobachtet wurde, bemühte er sich,
auch weiterhin möglichst gelassen zu erscheinen und brachte sogar das Kunststück fertig, ein Lächeln auf
sein Gesicht zu zwingen.
Doch der scharfe Ton in seiner Stimme und der gehetzte Blick Richtung Wald hatten Abu Dun alarmiert.
Aus der grimmigen Miene des Nubiers wurde ein erstauntes Gesicht, dann schürzte er die

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