Der Untergang
hatte dem Mann
beide Knie in den Unterleib gerammt und stach mit einem winzigen Messer immer wieder auf seinen
Oberschenkel ein, während zwei weitere Kinder das Ganze johlend und händeklatschend beobachteten. In
den Augen des schwarzhaarigen Mädchens blitzte es spöttisch auf, als es Andrej und Abu Dun bemerkte,
während der ältere Junge den beiden nur einen verächtlichen Blick zuwarf und sich dann wieder auf das
grausame Geschehen am Boden konzentrierte.
Außer sich vor Wut brüllte Abu Dun auf, riss mit beiden Händen den Säbel in die Höhe und war mit einem
einzigen Schritt am Ort des Geschehens. Zweifellos hätte er den Jungen enthauptet, hätte er nicht aus
irgendeinem Grund im letzten Moment versucht, seinen Hieb in eine andere Richtung zu lenken. Es gelang
ihm nicht ganz. Die gebogene Klinge des Krummsäbels zischte mit einem hässlichen Geräusch durch die
Luft. Doch dieses winzige Zögern hatte dem Knaben gereicht.
Blitzschnell duckte er sich und entging dem tödlichen Hieb buchstäblich um Haaresbreite. Durch die
eigene Wucht nach vorne gerissen, musste Abu Dun einige hastige Schritte machen, um nicht das
Gleichgewicht zu verlieren und zu stürzen.
Trotz seiner enormen Größe und Körperfülle, die schon so manchen Gegner getäuscht hatte, war Abu Dun
wieselschnell; er brauchte nur eine Sekunde, um seine Balance wiederzufinden und herumzufahren, doch
diese Spanne reichte den Kindern.
Noch immer lachend und johlend, ließen sie endlich von ihrem Opfer ab und verschwanden so schnell im
Unterholz wie Schatten, die vor dem Licht der Sonne flohen. Abu Dun stieß einen Fluch in seiner
Muttersprache aus, brach rücksichtslos durch das Gebüsch und setzte zur Verfolgung an, während Andrej
zu dem hilflosen, wimmernden Geistlichen lief und sich neben ihm auf den Boden kniete.
Der Anblick war so entsetzlich, dass er hart schlucken musste. Pater Flocks Gesicht war blutüberströmt
und verzerrt vor Schmerz und Todesangst. Er blutete aus zahlreichen kleinen und zwei größeren Wunden
an Stirn und Schläfe, und der Knabe mit dem Messer hatte sich sogar die Zeit genommen, ihm ein gut
fingerlanges Kreuz in beide Wangen zu ritzen, ehe er Flocks Gesicht seinem Bruder und dessen Stein
überließ. Die Augen des jungen Geistlichen waren schwarz vor Angst, und hinter der Furcht und dem
unerträglichen Schmerz flackerte der beginnende Wahnsinn. Als Andrej sich über ihn beugte, riss der
Mann die Arme in die Höhe und versuchte, nach ihm zu schlagen. Andrej nahm zwei, drei seiner
kraftlosen Hiebe hin, dann umfasste er die Handgelenke des Geistlichen und drückte ihn mit sanfter
Gewalt zu Boden.
»Ganz ruhig!«, rief er. »Ich bin es, Andreas! Es ist vorbei!«
Doch Flock reagierte nicht darauf. Stattdessen wurde sein Wimmern nun von hohen, spitzen Schreien
abgelöst. Dabei strampelte er so heftig mit den Beinen, dass Andrej rasch ein Stück von ihm abrückte, um
nicht auch noch getreten zu werden.
»Es ist vorbei! Pater Flock! Kommt zu Euch! Sie sind fort!
Ihr seid in Sicherheit!«
Im ersten Moment schien es, als ob Flock ihn auch jetzt nicht verstand, dann erschlaffte sein Körper in
Andrejs Griff, und das Flackern beginnenden Irrsinns in seinen Augen ließ nach.
Fassungslos starrte er Andrej an, riss dann den Kopf herum und blickte in die Richtung, in der die Kinder
und Abu Dun verschwunden waren. »Teufel!«, schrie er. »Sie sind des Teufels.
Dämonen aus der Hölle, geschickt, uns für unsere Sünden zu bestrafen.«
»Es ist vorbei«, sagte Andrej noch einmal, aber mit, wie er hoffte, beruhigender Stimme. »Sie können
Euch nichts mehr tun. Ihr seid in Sicherheit.«
Flock begann zu wimmern; ein leises, klagendes Weinen, in dem mehr zum Ausdruck kam als die pure
Todesangst, die er gerade durchgestanden hatte. Andrej wagte es nicht, seine Hände loszulassen, lockere
aber seinen Griff und unterzog Flock sodann einer zweiten, etwas gründlicheren Begutachtung.
Ihr Ergebnis war nicht besser als das seiner ersten Inaugenscheinnahme. Im Gegenteil: Der junge
Geistliche bot einen schrecklichen Anblick. Sein Gesicht war eine Maske aus hellem, glänzendem Blut,
sodass gar nicht genau zu erkennen war, wie schlimm die Verletzungen wirklich waren; und auch seine
Hände, mit denen er den Stein abgewehrt hatte, waren übel verletzt. In Höhe seiner Oberschenkel war das
braune Mönchsgewand schwarz und nass von Blut. Flocks Unterlippe war gespalten, und er hatte
mindestens zwei Zähne verloren.
»Beruhigt Euch«, sagte Andrej. »Nicht
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