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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Andrej. Er konnte nicht sofort antworten, ihm war plötzlich klar, wie absurd Basons Frage
war. Er sollte sich nach seinem Befinden erkundigen, nicht umgekehrt. Trotzdem nickte er noch einmal,
zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte dann so heftig den Kopf, dass ihm schon wieder leicht
schwindelig wurde. »Ich war nur erschrocken. Entschuldige. Das wollte ich nicht.«
In Basons Augen stand ganz deutlich die Frage geschrieben, was er nicht wollte, aber der Sinti sprach sie
nicht laut aus, sondern setzte sich stöhnend auf und betastete seine rechte Hand mit der unverletzten
linken. Seine Mundwinkel zuckten, und auf seiner Stirn perlte plötzlich Schweiß. »Lass das«, sagte
Andrej.
»Halt einfach still.« Bason sah nicht so aus, als ob ihn diese Aufforderung in irgendeiner Art beruhigen
könnte, streckte aber gehorsam den rechten Arm aus und umklammerte das Handgelenk mit der Linken.
Jetzt, als Andrej die Wunde nicht mit den Augen eines ausgehungerten Raubtieres sah, erkannte er, dass
sie weniger schlimm war als es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte. Mit einem Ruck zog er den
Holzsplitter heraus. Bason zog scharf die Luft ein; Tränen traten ihm in die Augen.
»Schon vorbei«, sagte Andrej in bewusst beiläufigem Ton. »Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht
verletzen.«
»Meine Schuld«, sagte Bason gepresst. Nach einem Moment und mit einem schiefen Grinsen fügte er
hinzu: »Aber deshalb tut es nicht weniger weh.«
»Du solltest die Wunde verbinden lassen«, sagte Andrej. Er stand auf und streckte die Hand aus, um
Bason hochzuhelfen, aber der Sinti schüttelte nur den Kopf und rappelte sich ungeschickt, aber aus
eigener Kraft auf. Die verletzte Hand hatte er gegen die Brust gepresst und mit der anderen abgedeckt,
aber sein weißes Hemd war jetzt mit hässlichen roten Flecken übersät.
Andrej betrachtete sie, und der Anblick machte ihm jetzt nichts mehr aus. Aber er war trotzdem
verunsichert und verwirrt wie selten zuvor in seinem Leben. Es war das zweite Mal innerhalb weniger
Stunden, dass er die finstere Macht, die er so viele Jahre lang sorgsam unter Kontrolle gehalten hatte,
nicht mehr beherrscht und um ein Haar zu ihrem Gefangenen geworden wäre. Vielleicht hat Abu Dun
Recht, dachte er. Vielleicht sollten wir von hier verschwinden, solange wir noch können.
»Was war das, Andreas?«, fragte Bason mit leiser, zitternder Stimme. »Du bist -«
»- ein unvorsichtiger Narr, ich weiß«, fiel Andrej ihm ins Wort.
»Ich hätte nicht so fest zuschlagen sollen. Es tut mir leid.«
Bason sah einen Moment lang auf seine verletzte Hand hinunter, schüttelte den Kopf und blickte ihn dann
auf noch sonderbarere Weise an; auf eine Art, die Andrej einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
»Das habe ich nicht gemeint«, sagte er. »Ich meine das, was du getan hast.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte Andrej.
»Ich glaube schon«, beharrte Bason. Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich, aber er wurde
sonderbarerweise nicht härter, zorniger oder gar vorwurfsvoll. »Du bist -«
»Was ist denn hier passiert?«
Andrej hätte um ein Haar erleichtert aufgeatmet als er die Stimme hinter sich hörte und somit einen Anlass
hatte, Bason nicht zu antworten, sondern sich rasch herumzudrehen. Er war nicht sicher, ob er die Kraft
gehabt hätte, dem jungen Sinti nicht die Wahrheit zu sagen.
Als er sich umdrehte, wandelte sich das Gefühl der Erleichterung jedoch schlagartig. Hinter ihm stand
nicht Laurus oder einer der anderen Sinti, wie er angenommen hatte. Während er mit Bason gesprochen
hatte, waren drei Berittene näher gekommen, die jetzt unmittelbar neben der Bühne angehalten hatten. Da
sie auf den Pferderücken saßen, befanden sie sich praktisch auf gleicher Höhe mit ihm. Einen der drei
Männer kannte er von gestern - Schulz -, die beiden anderen waren ihm fremd, aber ihr Anblick mahnte
ihn zur Vorsicht. Sie trugen Kettenhemden und Schwerter, und beide waren ausgesucht große, kräftige
Kerle mit harten Gesichtern und gnadenlosen Augen.
»Schulz«, sagte er. »Ihr kommt früh.«
Der Grauhaarige deutete auf Bason. »Hat es einen Unfall gegeben, oder kommen wir im falschen
Moment?«
»Ein Unfall«, bestätigte Andrej. »Ich war ungeschickt.«
Schulz lächelte kühl. Sein Blick klebte einen Moment an Basons Hand, dann sah er Andrejs ins Gesicht.
»Das scheint mir auch so. Aber wie ich zu meiner Erleichterung sehe, scheint Ihr selbst ja unverletzt zu
sein. Offensichtlich kommen immer nur die

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