Der Untergang
zu Schaden, die den Fehler begehen, Euch zu nahe zu
kommen, Andreas.«
Andrej beschloss, nicht darauf einzugehen. »Ich nehme an, Ihr seid gekommen, um mit Laurus zu
sprechen?«
»Unter anderem«, bestätigte Schulz.
»Dann führe ich Euch zu ihm.« Andrej wandte sich noch einmal an Bason. »Geh und lass deine Hand
verbinden.«
Er wartete bis Bason gegangen war, um seiner Aufforderung Folge zu leisten, dann sprang er geschmeidig
von der Bühne und sah auffordernd zu Schulz und seinen beiden Begleitern hoch.
Weder der Grauhaarige noch die beiden anderen Männer machten Anstalten, aus den Sätteln zu steigen,
und so drehte sich Andrej achselzuckend um und ging - schon fast provozierend - langsam vor ihnen her.
Die Männer und Frauen, an denen sie vorüberkamen, blieben überrascht stehen oder hielten in ihrem Tun
inne, und Andrej war sich bewusst, dass er wie ein Gefangener aussah, der vor seinen Häschern einher
schritt. Und er fragte sich, ob es tatsächlich so war. Die Anwesenheit der beiden Bewaffneten irritierte
ihn. Vielleicht hatte ihn die grimmige Sachlichkeit, die Schulz gestern an den Tag gelegt hatte, dazu
verleitet, diesen Mann vorschnell und möglicherweise falsch einzuschätzen.
Auch als sie Laurus’ Wagen erreichten, stiegen Schulz und seine beiden Begleiter nicht ab. Der
Grauhaarige machte eine auffordernde Kopfbewegung, und Andrej klopfte an die Tür. Sie wurde so
schnell geöffnet, als hätte der Sinti bereits dahinter gewartet, und Laurus trat heraus. Schweigend blieb er
auf der obersten Treppenstufe stehen und sah Andrej unfreundlich an.
»Wir haben Gäste«, sagte Andrej und deutete auf die drei Männer hinter sich. »Das ist Schulz. Ich habe
Euch von ihm erzählt.«
Laurus musterte auch Schulz und seine beiden Begleiter missbilligend, dann deutete er ein Achselzucken
an. »Ihr kommt früh.«
»Wir haben eine Menge zu besprechen«, antwortete Schulz.
»Meinen Namen kennt Ihr ja schon. Ich nehme an, Ihr seid Laurus, der Anführer dieser … Familie?«
Laurus’ Miene verfinsterte sich ein wenig, als er hörte, wie Schulz das letzte Wort aussprach, und auch
Andrej fühlte sich noch ein wenig mehr alarmiert als bisher. Schulz hatte das Wort Anführer ganz gewiss
nicht ohne Bedacht gewählt, so wenig wie die winzige Pause vor dem Wort Familie Zufall gewesen war.
Konnte es sein, dass er sich so sehr in diesem Mann getäuscht hatte?
»Wir haben keinen Anführer«, antwortete Laurus. »Aber wenn Ihr mit jemandem reden wollt, dann könnt
Ihr es genauso gut mit mir wie mit jedem anderen tun.« Er wandte sich an Andrej.
»Danke, dass du die Herren hierher gebracht hast. Jetzt geh’ wieder an deine Arbeit.«
»Nein«, widersprach Schulz. »Ich möchte, dass er bleibt.«
In Laurus’ Augen blitzte es auf, aber er zuckte nur mit den Schultern und ging wieder in seinen Wagen
zurück. Andrej folgte ihm, und endlich stiegen auch Schulz und seine beiden Begleiter aus ihren Sätteln.
Der Grauhaarige und einer der Bewaffneten gesellten sich zu ihnen, während der andere draußen bei den
Pferden zurückblieb. Allein die Art, auf die er sich bewegte, machte Andrej endgültig klar, womit sie es
hier zu tun hatten. Auch wenn die beiden Männer bisher kein einziges Wort gesprochen hatten und das
wahrscheinlich auch nicht tun würden, so redete ihre Körpersprache doch genug. Er fragte sich, wie viele
es noch von ihnen gab. Und wo sie waren.
»Nehmt Platz, die Herren.« Laurus machte eine einladende Handbewegung auf den Tisch, der zusammen
mit der an der Wand verschraubten Eckbank und den beiden Stühlen ein Großteil des vorhandenen
Platzes einnahm. »Möchtet Ihr etwas trinken?«
Schulz zögerte sichtlich, der Einladung Folge zu leisten, setzte sich aber dann doch, während sein
Begleiter mit verschränkten Armen vor der jetzt wieder geschlossenen Tür stehen blieb. Der Blick des
Grauhaarigen glitt rasch durch das Innere des Wagens, aber es war nicht festzustellen, ob ihm das, was er
sah, gefiel oder nicht. »Nein«, sagte er. »Ich bin nicht hierher gekommen, um mit Euch zu trinken,
Laurus.«
Laurus hob die Schultern. »Ich sehe, Ihr seid ein Mann, der das offene Wort schätzt«, sagte er. »Also,
warum seid Ihr dann hier?« Er nahm Schulz gegenüber Platz, und Andrej fiel plötzlich auf, wie ähnlich
sich die beiden Männer doch waren.
Beide hatten ungefähr das gleiche Alter, beide waren grauhaarig und mit denselben offenen, zugleich aber
auch energischen Zügen ausgestattet. Und ganz offensichtlich hielten beide
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