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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Gesinnung, muß über jedem Verdacht stehn.«
    »Na ja«, sagte Wulckow, indes Diederich sich zurückzog, stolz auf seinen Abgang, wenn auch beengt durch die Empfindung, daß der Präsident ihn als Bundesgenossen nicht lieber ertrug als er selbst seinen Maschinenmeister.
    Im Salon fand er Emmi und Magda ganz allein in einem Prachtwerk blätternd. Die Gäste waren fort, und auch Frau von Wulckow hatte sie verlassen, weil sie sich anziehen mußte, zur Soiree bei der Frau Oberst von Haffke. »Meine Unterredung mit dem Präsidenten ist für beide Teile durchaus befriedigend verlaufen«, stellte Diederich fest; und draußen auf der Straße: »Da sieht man, was es heißt, wenn zwei loyale Männer verhandeln. In dem heuligen verjudeten Geschäftsbetrieb kennt man das gar nicht mehr.«
    Emmi, gleichfalls sehr angeregt, erklärte, daß sie Reitstunden nehmen werde. »Wenn ich dir das Geld gebe«, sagte Diederich, aber nur der Ordnung wegen, denn er war stolz auf Emmi. »Hat Leutnant von Brietzen nicht Schwestern?« bemerkte er. »Du solltest bekannt werden und uns Einladungen verschaffen zur nächsten Soiree der Frau Oberst.« Gerade ging drüben der Oberst vorbei. Diederich sah ihm lange nach. »Ich weiß wohl«, sagte er, »man soll sich nicht umdrehen; aber das ist nun mal das Höchste, es zieht einen hin!«
    Dennoch hatte der Vertrag mit Wulckow nur seine Sorgen vergrößert. Der handgreiflichen Verpflichtung, sein Haus zu verkaufen, stand nichts gegenüber als Hoffnungen und Aussichten: nebelhafte Aussichten, allzu kühne Hoffnungen... Es fror; Diederich ging am Sonntag in den Stadtpark, wo es schon dunkelte, und auf einem einsamen Pfad begegnete er Wolfgang Buck.
    »Ich habe mich nun doch entschlossen«, erklärte Buck. »Ich gehe zur Bühne.«
    »Und Ihre bürgerliche Stellung? Und Ihre Heirat?«
    »Ich habe es versucht, aber das Theater ist vorzuziehen. Es wird dort weniger Komödie gespielt, wissen Sie, man ist ehrlicher bei der Sache. Auch sind die Weiber schöner.«
    »Das ist kein Standpunkt«, erwiderte Diederich. Aber Buck war es ernst. »Ich muß zugeben, das Gerücht über Guste und mich hat mir Spaß gemacht. Andererseits: so blödsinnig es ist, es ist nun einmal da, das Mädchen leidet darunter, ich kann sie nicht länger kompromittieren.«
    Diederich widmete ihm einen abschätzigen Seitenblick, denn er hatte den Eindruck, Buck nahm das Gerücht zum Vorwand, um sich zu drücken. »Sie werden wohl wissen«, versetzte er streng, »was Sie da anrichten. Ein anderer nimmt sie jetzt natürlich auch nicht mehr leicht. Es gehört schon verdammt viel ritterliche Gesinnung dazu.«
    Buck bestätigte dies. »Für einen wirklich modernen, großzügigen Mann«, sagte er bedeutungsvoll, »müßte es eine besondere Genugtuung sein, ein Mädchen unter solchen Umständen zu sich hinaufzuziehen und für sie einzutreten. Hier, wo auch Geld ist, würde zweifellos der Edelmut zuletzt das Feld behaupten. Denken Sie an das Gottesgericht im ›Lohengrin‹.«
    »Wieso ›Lohengrin‹?«
    Hierauf antwortete Buck nicht mehr; da sie das Sachsentor erreicht hatten, ward er unruhig. »Kommen Sie mit hinein?« fragte er. — »Wo denn hinein?« — »Gleich hier, Schweinichenstraße 77. Ich muß es ihr doch sagen, Sie könnten vielleicht —« Da pfiff Diederich durch die Zähne.
    »Sie sind wirklich — Sie haben ihr noch nichts gesagt? Vorher erzählen Sie es in der Stadt umher? Ihre Sache, mein Bester, aber mich lassen Sie aus dem Spiel, den Bräuten anderer Leute pflege ich nicht die Verlobung zu kündigen.«
    »Machen Sie eine Ausnahme«, bat Buck. »Mir werden Szenen im Leben so schwer.«
    »Ich habe Grundsätze«, sagte Diederich. Buck lenkte an.
    »Sie brauchen nichts zu sagen; Sie sollen mir nur in einer stummen Rolle als moralische Unterstützung dienen.«
    »Moralisch?« fragte Diederich.
    »Als Vertreter sozusagen des verhängnisvollen Gerüchtes.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich scherze. Da sind wir, kommen Sie.«
    Und Diederich, betroffen durch Bucks letzte Wendung, ging wortlos mit.
    Frau Daimchen war ausgegangen, und Guste ließ auf sich warten. Buck ging nachzusehen, was sie mache.
    Endlich kam sie, aber allein. »War nicht auch Wolfgang da?« fragte sie.
    Buck war ausgerissen!
    »Das begreife ich nicht«, sagte Diederich. »Er hatte doch etwas ganz Dringendes bei Ihnen vor.«
    Hierauf errötete Guste. Diederich wandte sich der Tür zu. »Dann empfehle ich mich auch.«
    »Was wollte er denn?« forschte sie.

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