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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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»Gott ist mein Zeuge, daß ich lieber noch heute die Bude zumache und mit den Meinen ins Elend hinausziehe, als daß ich einen einzigen Mann bei mir dulde, von dem ich weiß, er ist nicht kaisertreu.«
    »Sehr brauchbare Gesinnung«, sagte Wulckow. Diederich sah ihn mit blauen Augen an. »Ich nehme nur gediente Leute, vier haben den Krieg mitgemacht. Jugendliche beschäftige ich gar nicht mehr, seit der Geschichte mit dem Arbeiter, den der Wachtposten auf dem Felde der Ehre, wie Seine Majestät festzustellen geruhten, niedergestreckt hat, nachdem der Kerl mit seiner Braut hinter meinen Lumpen — «
    Wulckow winkte ab. »Ihre Sorge, Doktorchen!«
    Diederich ließ sich seinen Entwurf nicht verderben. »Unter meinen Lumpen darf kein Umsturz vorkommen. Mit Ihren Lumpen, ich meine in der Politik, ist es anders. Da können wir den Umsturz brauchen, damit aus den freisinnigen Lumpen weißes, kaisertreues Papier wird.«
    Und er machte eine tief bedeutungsvolle Miene. Wulckow schien nicht verblüfft, er schmunzelte furchtbar.
    »Doktorchen, ich bin auch nicht von gestern. Legen Sie los, was haben Sie mit Ihrem Maschinenmeister ausgeknobelt.« Da er Diederich wanken sah, fuhr Wulckow fort: »Das ist auch einer von den Altgedienten, wie, Herr Stadtverordneter?«
    Diederich schluckte, er sah, daß es keinen Umweg mehr gab. »Herr Präsident«, sagte er mit einem Entschluß; und dann leise und hastig: »Der Mann will in den Reichstag, und vom nationalen Standpunkt ist er besser aus Heuteufel. Denn erstens werden viele Freisinnige vor Schreck national werden, und zweitens kriegen wir, wenn Napoleon Fischer gewählt wird, in Netzig ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Ich habe es schriftlich.«
    Er breitete ein Papier hin vor den Präsidenten. Wulckow las, dann stand er auf, warf den Stuhl mit dem Fuß fort und ging, Rauch ausstoßend, durch das Zimmer. »Also Kühlemann kratzt ab, und von seiner halben Million baut die Stadt kein Säuglingsheim, sondern ein Kaiser-Wilhelm-Denkmal.« Er blieb stehen. »Merken Sie sich das, mein Lieber, in Ihrem eigensten Interesse! Wenn Netzig nachher einen Sozialdemokraten im Reichstag, aber keinen Wilhelm den Großen hat, dann lernen Sie mich kennen. Ich mache Frikassee aus Ihnen! Ich schlag Sie so klein, daß Sie nicht mal mehr im Säuglingsheim Aufnahme finden!«
    Diederich war mitsamt seinem Stuhl zurückgewichen bis an die Wand. »Herr Präsident! Alles, was ich bin, meine ganze Zukunft setze ich ein für diese große nationale Sache. Auch mir kann etwas Menschliches passieren...«
    »Dann gnade Ihnen Gott!«
    »Wenn nun Kühlemanns Nierensteine sich doch noch verziehen?«
    »Sie haben die Verantwortung! Um meinen Kopf geht es auch!« Wulckow ließ sich krachend auf seinen Sitz fallen. Er rauchte wütend. Als die Wolken zergingen, hatte er sich aufgeheitert. »Was ich Ihnen auf dem Harmoniefest gesagt habe, dabei bleibt es. Dieser Reichstag macht es nicht mehr lange, arbeiten Sie vor in der Stadt. Helfen Sie mir gegen Buck, ich helfe Ihnen gegen Klüsing.«
    »Herr Präsident!« Wulckows Lächeln schuf in Diederich einen Überschwang von Hoffnung, er konnte nicht an sich halten. »Wenn Sie es ihn unterderhand wissen ließen, daß Sie ihm eventuell die Aufträge entziehen! An die große Glocke hängt er es nicht, das brauchen Sie nicht zu fürchten; aber er wird seine Anstalten treffen. Vielleicht verhandelt er —«
    »Mit seinem Nachfolger«, schloß Wulckow. Da mußte Diederich aufspringen und seinerseits durch das Zimmer laufen. »Wenn Sie wüßten, Herr Präsident... Gausenfeld ist sozusagen eine Maschine mit Tausendpferdekraft, und die steht da und verrostet, weil der Strom fehlt, ich will sagen, der moderne, großzügige Geist!«
    »Den scheinen Sie zu haben«, meinte Wulckow.
    »Im Dienst der nationalen Sache«, beteuerte Diederich. Er kehrte zurück. »Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal-Komitee wird sich glücklich schätzen, wenn es uns gelingen würde, daß Sie so gut sind, Herr Präsident, und bekunden der Sache Ihr geschätztes Interesse durch Annahme des Ehrenvorsitzes.«
    »Gemacht«, sagte Wulckow.
    »Die aufopfernde Tätigkeit seines Herrn Ehrenvorsitzenden wird das Komitee entsprechend zu würdigen wissen.«
    »Erklären Sie sich mal näher!« In Wulckows Stimme grollte es unheilvoll, aber Diederich bei seiner Angeregtheit überhörte es.
    »Die Idee hat bereits zu gewissen Erörterungen im Schoße des Komitees geführt. Man wünscht das Denkmal in frequentester Lage zu errichten und mit

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