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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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»Das kommt bei ihm doch nicht oft vor, daß er etwas will. Und wozu bringt er Sie mit?«
    »Das sehe ich auch nicht ein. Ich darf sogar sagen, daß ich es entschieden mißbillige, wenn er sich bei einer solchen Gelegenheit Zeugen nimmt. Meine Schuld ist es nicht, adieu.«
    Aber je verlegener er sie ansah, desto dringender ward sie.
    »Ich muß es ablehnen«, verriet er schließlich, »daß ich mir mit den Angelegenheiten Dritter soll den Mund verbrennen, noch dazu, wenn der Dritte durchgeht und entzieht sich seinen nächstliegenden Verpflichtungen.«
    Gustes aufgerissene Augen sahen die Worte einzeln aus Diederichs Mund hervorkommen. Als das letzte gefallen war, verharrte sie einen Augenblick reglos, und dann warf sie die Hände vor das Gesicht. Sie schluchzte, man sah ihre Wangen aufquellen und die Tränen ihr durch die Finger rinnen. Sie hatte kein Schnupftuch; Diederich lieh es ihr, betreten durch ihren Schmerz. »Schließlich«, meinte er, »ist ja so viel nicht an ihm verloren.« Da aber empörte sich Guste. »Das sagen Sie! Sie sind derjenige welcher und haben immer gegen ihn gehetzt. Daß er ausgerechnet Sie muß herschicken, das kommt mir mehr wie sonderbar vor.«
    »Wie meinen Sie das, bitte!« verlangte Diederich seinerseits. »Sie mußten wohl reichlich so genau wissen wie ich, geehrtes Fräulein, was Sie von dem betreffenden Herrn zu erwarten hatten. Denn wo die Gesinnung schlapp ist, ist alles schlapp.«
    Da sie ihn höhnisch musterte, versetzte er um so strenger: »Ich habe Ihnen alles richtig vorausgesagt.«
    »Weil es Ihnen so paßte«, erwiderte sie giftig. Und Diederich, mit Ironie: »Er hat mich doch selbst angestellt, daß ich seinen Kochtopf sollte umrühren. Und wenn der Kochtopf nicht in braune Lappen eingewickelt gewesen wäre, hätte er ihn schon längst überkochen lassen.«
    Da rang es sich los aus Guste. »Haben Sie 'ne Ahnung! Das ist es ja, das kann und kann ich ihm nicht verzeihen, daß ihm immer alles wurscht war, sogar mein Geld!«
    Diederich war erschüttert. »Mit so einem soll man sich nicht einlassen«, stellte er fest. »Die haben keinen Halt und laufen einem durch die Finger.« Er nickte gewichtig. »Wem das Geld wurscht ist, der versteht das Leben nicht.«
    Guste lächelte blaß. »Dann verstehen Sie es glänzend!«
    »Das wollen wir hoffen«, sagte er. Sie kam näher zu ihm, durch ihre letzten Tränen blinzelte sie ihn an.
    »Recht haben Sie ja nun behalten. Was meinen Sie wohl, das ich mir daraus mache?« Sie verzog den Mund. »Ich hab ihn doch überhaupt nicht geliebt. Bloß auf die Gelegenheit hab ich gewartet, daß ich ihn loswerde. Nun ist er so gemein und geht von selbst... Dann machen wir es ohne ihn«, setzte sie hinzu, mit einem verlockenden Blick. Aber Diederich nahm nur sein Schnupftuch zurück, für alles andere schien er zu danken. Guste begriff, daß er noch ebenso streng dachte wie damals im Liebeskabinett; um so demütiger verhielt sie sich.
    »Sie spielen gewiß auf meine Lage an, wo ich nun drin bin.« Er lehnte ab. »Ich habe nichts gesagt.« Guste klagte still. »Wenn die Leute Gemeinheiten über mich reden, dafür kann ich doch nicht!«
    »Ich auch nicht.«
    Guste senkte den Kopf. »Na ja, ich muß es wohl einsehen. So eine wie ich verdient nicht mehr, daß ein wirklich feiner Mann mit ernsten Ansichten vom Leben sie noch nimmt.« Und dabei schielte sie von unten nach der Wirkung.
    Diederich schnaufte. »Es kann auch sein —«, begann er und machte eine Pause. Guste atmete nicht. »Nehmen wir einmal an«, sagte er mit schneidender Betonung, »jemand hat im Gegenteil die allerernstesten Ansichten vom Leben, und er empfindet modern und großzügig, und im vollen Gefühl der Verantwortlichkeit gegen sich selbst sowohl als gegen seine künftigen Kinder wie gegen Kaiser und Vaterland übernimmt er den Schutz des wehrlosen Weibes und zieht es zu sich empor.«
    Gustes Miene war immer frommer geworden. Sie lehnte die Handflächen aneinander und sah ihn mit schiefem Kopf innig flehend an. Dies schien noch nicht zu genügen, er verlangte offenbar etwas ganz Besonderes: und so fiel Guste plumps auf die Knie. Da nahte Diederich ihr gnädig. »So soll es sein«, sagte er und blitzte.
    Hier trat Frau Daimchen ein. »Nanu«, bemerkte sie, »was ist denn los?« Und Guste mit Geistesgegenwart: »Ach Gott, Mutter, wir suchen meinen Ring« — worauf auch Frau Daimchen sich am Boden niederließ. Diederich wollte nicht zurückstehen. Nach einer Weile stummen Umherkriechens

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