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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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blätterte. »Turnerlieder. Aus der Gefangenschaft. Ein Hoch der Republik! und Am Weiher lag ein Jüngling, trübselig anzuschauen... Stimmt, so waren die.
    Sträflinge versorgen und an den Grundlagen rütteln. Sentimentaler Umsturz, Gesinnung verdächtig und Haltung schlapp. Da stehen wir, Gott sei Dank, anders da.«
    »Das wollen wir hoffen«, sagte Diederich. »In der Verbindung haben wir Mannhaftigkeit und Idealismus gelernt, das genügt, da erübrigt sich das Dichten.«
    »Fort mit euren Altarkerzen!« deklamierte Jadassohn. »Das ist etwas für meinen Freund Zillich. Jetzt hat er sein Schläfchen hinter sich, wir können losgehen.«
    Sie fanden den Pastor beim Kaffee. Er wollte Frau und Tochter sogleich hinausschicken. Jadassohn hielt die Hausfrau galant zurück und versuchte auch dem Fräulein die Hand zu küssen, aber sie wandte ihm den Rücken. Diederich, sehr aufgeheitert, bat die Damen dringend, zu bleiben, und ihm gelang es. Er erklärte ihnen, daß Netzig nach Berlin beträchtlich still wirke. »Die Damenwelt ist auch noch zurück. Mein Ehrenwort, gnädiges Fräulein, Sie sind hier die erste, die ruhig Unter den Linden spazierengehen könnte, und kein Mensch würde merken, daß Sie aus Netzig sind.« Darauf erfuhr er, daß sie wirklich einmal in Berlin gewesen war, und sogar bei Ronacher. Diederich zog hieraus Vorteil, er erinnerte sie an ein dort gehörtes Couplet, das er ihr aber nur ins Ohr sagen könne: »Unsre lieben süßen Dam'n zeigen alles, was sie ham'n...« Da sie einen dreisten Seitenblick warf, streifte er mit dem Bart ihren Hals. Sie sah ihn flehend an, worauf er ihr erst recht versicherte, daß sie ein »reizender Käfer« sei. Sie flüchtete mit geschlossenen Augen zu ihrer Mutter, die alles überwacht hatte. Der Pastor war mit Jadassohn in ernstem Gespräch. Er klagte, daß der Kirchenbesuch in Netzig unerhört vernachlässigt werde.
    »Am Sonntag Jubilate: verstehen Sie wohl, am Sonntag Jubilate habe ich vor dem Küster und drei alten Damen aus dem Jungfrauenstift predigen müssen. Die anderen hatten Influenza.«
    Jadassohn sagte: »Bei der lauen, um nicht zu sagen feindseligen Haltung, die die herrschende Partei den kirchlichen und religiösen Dingen gegenüber einnimmt, muß man sich über die drei alten Damen wundern. Warum besuchen sie nicht lieber die freigeistigen Vorträge des Doktors Heuteufel?«
    Da schnellte der Pastor vom Stuhl. Sein Bart schien aufzuschäumen, so sehr schnob er, und sein Gehrock warf wilde Falten. »Herr Assessor!« brachte er hervor. »Dieser Mensch ist mein Schwager, und Die Rache ist mein! spricht der Herr. Aber obwohl dieser Mensch mein Schwager und meiner leiblichen Schwester Mann ist, kann ich den Herrn nur anflehen, ja, mit gerungenen Händen anflehen, daß er von seinem Rachestrahl Gebrauch mache. Denn sonst würde er eines Tages genötigt sein, Pech und Schwefel auf ganz Netzig regnen zu lassen. Kaffee, verstehen Sie, Kaffee gibt Heuteufel den Leuten umsonst, damit sie kommen und ihre Seele von ihm fangen lassen. Und dann erzählt er ihnen, die Ehe sei kein Sakrament, sondern ein Vertrag — als ob ich mir einen Anzug bestelle.« — Der Pastor lachte vor Erbitterung.
    »Pfui«, sagte Diederich mit tiefer Stimme. Und indes Jadassohn den Pastor seines positiven Christentums versicherte, begann Diederich schon wieder, im Schutz eines Sessels, sich Käthchen handgreiflich zu nähern. »Fräulein Käthchen«, sagte er dabei, »ich kann Ihnen auf das bestimmteste erklären, daß für mich die Ehe tatsächlich ein Sakrament ist.« Käthchen erwiderte: »Schämen Sie sich, Herr Doktor.«
    Ihm ward heiß. »Machen Sie nicht solche Augen!«
    Käthchen seufzte. »Sie sind schrecklich raffiniert. Wahrscheinlich sind Sie auch nicht besser als der Herr Assessor Jadassohn. Ihre Schwestern haben mir schon erzählt, was Sie in Berlin alles angestellt haben. Es sind doch meine besten Freundinnen.«
    Dann werde man sich doch bald wiedersehen? — Ja, in der »Harmonie«. »Aber Sie brauchen nicht zu denken, daß ich Ihnen irgendwas glaube. Sie sind ja mit Guste Daimchen zusammen am Bahnhof angekommen.«
    Was das beweise, fragte Diederich. Er protestierte gegen alle Folgerungen, die man aus dieser rein zufälligen Tatsache etwa ziehen wolle. Fräulein Daimchen sei übrigens verlobt. »Ach die!« machte Käthchen. »Die geniert das nicht, sie ist so gräßlich kokett.«
    Auch die Frau Pastor bestätigte es. Noch heute habe sie Guste in Lackschuhen und lila Strümpfen

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