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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Hände.
    Schon am Tage darauf ward Diederich vor den Untersuchungsrichter geladen und stand vor Fritzsche. ›Gott sei Dank‹, dachte er und machte mit treuherziger Sachlichkeit seine Aussagen. Auch Fritzsches einzige Sorge schien die Wahrheit zu sein. Die öffentliche Meinung freilich blieb bei ihrer Parteilichkeit für den Angeklagten. Von der sozialdemokratischen »Volksstimme« nicht zu reden; sie verstieg sich bis zu höhnischen Auslassungen über Diederichs Privatleben, hinter denen wohl sicher Napoleon Fischer zu suchen war. Aber auch die sonst so ruhige »Netziger Zeitung« gab gerade jetzt eine Ansprache des Herrn Lauer an seine Arbeiter wieder, worin der Fabrikbesitzer darlegte, daß er den Gewinn seines Unternehmens redlich mit allen denen teile, die daran mitgearbeitet hatten, ein Viertel den Beamten, ein Viertel den Arbeitern. In acht Jahren hatten sie außer ihren Löhnen und Gehältern die Summe von hundertdreißigtausend Mark unter sich zu verteilen gehabt. Dies machte auf weite Kreise den günstigsten Eindruck. Diederich begegnete mißbilligenden Gesichtern. Sogar der Redakteur Nothgroschen, den er zur Rede stellte, erlaubte sich ein anzügliches Lächeln und sagte etwas von sozialen Fortschritten, die man mit nationalen Phrasen nicht aufhalte. Besonders peinlich waren die geschäftlichen Folgen. Bestellungen, auf die Diederich rechnen durfte, blieben aus. Der Warenhausbesitzer Cohn teilte ihm ausdrücklich mit, daß er für seine Weihnachtskataloge die Papierfabrik Gausenfeld bevorzuge, weil er mit Rücksicht auf seine Kunden sich politische Zurückhaltung auferlegen müsse. Diederich erschien jetzt ganz früh im Büro, um solche Briefe abzufangen, aber Sötbier war immer noch früher da, und das vorwurfsvolle Schweigen des alten Prokuristen erhöhte seine Wut. »Ich schmeiß den ganzen Krempel hin!« schrie er. »Sie und die Leute sollen dann sehen, wo sie bleiben. Ich mit meinem Doktor hab morgen einen Direktorposten von vierzigtausend Mark! — Ich opfere mich für euch!« schrie er die Arbeiter an, wenn sie gegen das Reglement Bier tranken. »Ich zahle drauf, nur um keinen zu entlassen.«
    Gegen Weihnacht mußte er dennoch einem Drittel der Leute aufsagen; Sötbier rechnete ihm vor, daß die Zahlungsfristen zu Beginn des Jahres sonst nicht eingehalten werden könnten, »da wir nun mal zweitausend Mark als Anzahlung für den neuen Holländer aufnehmen mußten«; und er blieb dabei, obwohl Diederich nach dem Tintenfaß griff. In den Mienen der Übriggebliebenen las er Mißtrauen und Geringschätzung. Sooft mehrere zusammenstanden, glaubte er das Wort »Denunziant« zu hören. Napoleon Fischers knotige, schwarz behaarte Hände hingen weniger tief über dem Boden, und es sah aus, als bekäme er sogar Farbe.
    Am letzten Adventsonntag — das Landgericht hatte soeben die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen — predigte in der Marienkirche Pastor Zillich über den Text: »Liebet eure Feinde«. Diederich erschrak beim ersten Wort. Bald fühlte er, wie auch die Gemeinde unruhig ward. »Die Rache ist mein, spricht der Herr«; Pastor Zillich rief es sichtlich nach dem Heßlingschen Stuhl hinüber. Emmi und Magda versanken ganz darin, Frau Heßling schluchzte. Diederich beantwortete drohend die Blicke, die ihn suchten. »Wer aber spricht Rache, der ist des Gerichts!« Da wandte sich alles um, und Diederich knickte zusammen.
    Zu Hause machten die Schwestern ihm eine Szene. Man behandelte sie schlecht in den Gesellschaften. Nie mehr ward der junge Oberlehrer Helferich neben Emmi gesetzt, er kümmerte sich nur noch um Meta Harnisch, und sie wußte wohl, warum. »Weil du ihm zu alt bist«, sagte Diederich. »Nein, sondern weil du uns unbeliebt machst!« — »Die fünf Töchter vom Bruder des Herrn Buck grüßen uns schon nicht mehr!« rief Magda. Und Diederich: »Ich werd ihnen fünf Ohrfeigen herunterhauen!« — »Das laß gefälligst! An dem einen Prozeß haben wir genug.« Da verlor er die Geduld. »Ihr? Was gehn euch meine politischen Kämpfe an?«
    »Alte Jungfern werden wir noch, wegen deiner politischen Kämpfe!«
    »Das braucht ihr nicht erst zu werden. Ihr liegt mir hier unnütz im Hause umher, ich rackere mich ab für euch, und ihr wollt auch noch nörgeln und mir meine heiligsten Aufgaben verekeln? Dann schüttelt gefälligst den Staub von euren Pantoffeln! Meinetwegen könnt ihr Kindermädchen werden!« Und er schlug die Tür zu, trotz Frau Heßlings gerungenen Händen.
    So kamen denn

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