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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Kommissariat.
    Pouchet war bei der Arbeit. Louis gab seine Personalien an, kritzelte ein paar freundliche Worte auf einen Zettel, den er der Sekretärin reichte, und wartete. Pouchet empfing ihn drei Minuten später.
    »Salut, Deutscher, das ist ja ein ganz schönes Weilchen her«, sagte er und ließ ihn eintreten. »Was machst du hier in der Gegend? Hoffentlich keinen Ärger?« fügte er etwas beunruhigt hinzu.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Louis, der immer befriedigt war, wenn er sah, daß seine Reputation noch wirkte. »Ich bin nicht mehr da oben. Ich bin an einer alten Sache dran, die nichts mit Politik zu tun hat.«
    »Na, um so besser«, erwiderte Pouchet und bot ihm eine Zigarette an. »Kann ich dir glauben?«
    »Du kannst. Es geht um die kollektive Vergewaltigung damals vor neun Jahren im Institut Merlin, bei der ...«
    »Geht's nur darum?« unterbrach Pouchet.
    »Ich finde, das ist schon mal nicht wenig.«
    »Ich erinnere mich noch sehr gut. Bleib sitzen.«
    Louis rauchte und wartete auf die Rückkehr seines Kollegen. Erleichtert darüber, daß Kehlweiler in nichts Beunruhigenderem herumstocherte, holte Pouchet ohne weitere Umstände die Akte.
    »Willst du die ganze Geschichte?« fragte Pouchet, als er mit einem Karton unter dem Arm wiederkam.
    »Können wir nicht in ein Café gehen und dort drüber reden?« entgegnete Louis. »Du schuldest mir ohnehin ein Bier. Wir haben mal wegen der Federn eurer Hühner gewettet, und du hast verloren.«
    Pouchet warf Louis einen verwirrten Blick zu, dann fing er an zu lachen.
    »Mensch, du hast recht, Deutscher! Du hast recht!« rief er.
    Louis nahm einen sehr aufgeräumten Inspektor mit in das Café an der nächsten Straßenecke. Die Geschichte mit den Federn hatte Pouchet fröhlich gestimmt, aber Louis fragte sich, ob er sich im Grunde nicht deshalb so gut an die Geflügelsache erinnerte, weil Pouchet keinerlei Detail über die Farben hinzugefügt hatte, genausowenig wie er selbst.
    Im Bistrot ging Louis als erstes auf die Toilette, vergewisserte sich, daß niemand kam, und holte rasch die Kröte aus seiner Tasche. Er befeuchtete sie am Waschbecken und beförderte sie flink wieder an ihren Platz. Bei dieser Hitze konnte man nicht vorsichtig genug sein.
    »Und?« fragte Louis, als er zu Pouchet an den Tisch zurückkehrte.
    »Es war eine kollektive Vergewaltigung, wie du gesagt hast. Und zwar im Park des Institut Merlin ...«
    »Was ist das eigentlich für ein Institut?«
    »Das war eine Art Privatladen, das ›lnstitut Merlin für Wirtschafts- und Handelsstudien‹. Eine zweijährige Ausbildung nach dem Abi, am Ende stand ein Abschluß in Finanzbuchhaltung. Die Schule kostete natürlich, und zwar nicht zu knapp. Guter Ruf, altes Haus, das lief gut.«
    »Lief?«
    »Du kannst dir ja denken, daß das Ganze nach der Vergewaltigungsaffäre und den beiden Todesfällen zu einem ziemlichen Fiasko wurde. Das Institut hat nach den nächsten Sommerferien mangels Anmeldungen nicht wieder aufmachen können. Bankrott, schlicht und einfach. Es muß jetzt sechs Jahre her sein, daß Merlin beschlossen hat, seinen Besitz an die Stadt zu verkaufen. Jetzt ist es ein Altenheim. Ebenfalls ziemlich teuer.«
    »Scheiße. Dann sind also alle zerstreut. Die Lehrer ... das Personal ... Es gibt keine Möglichkeit, die Leute wiederzufinden ...«
    »Wenn du gehofft hattest, sie heute noch alle zusammen zu sehen - so kannst du's vergessen.«
    »Ich seh es«, sagte Louis ziemlich verstimmt. »Erzähl mir die Geschichte. Ich kenne eine Version davon und muß wissen, ob sie stimmt.«
    »Nun, es ging um Nicole Verdot, eine junge Englischlehrerin. Sie hat unter der Woche im Institut gewohnt, wie auch andere Lehrer, das Personal und alle Schüler. Das war das Internatssystem, anscheinend besser für die Ergebnisse. Was denkst du darüber?«
    »Nichts«, sagte Louis, der das einstweilige gute Einvernehmen nicht belasten wollte.
    »Jedenfalls lungern die Kinder nach dem Unterricht nicht überall herum. Das hält sie beieinander.«
    »Wenn ›beieinanderhalten‹ bedeutet, nach dem Unterricht eine Frau zu vergewaltigen, kann ich keine Vorteile sehen.«
    »Da hast du recht, daran habe ich nicht gedacht. Was die kleine Lehrerin jedenfalls mitten in der Nacht, kurz vor Mitternacht, draußen im Park gemacht hat, war nicht rauszukriegen. Ein Spaziergang, eine Verabredung ... Es war ein lauer Abend, der 9. Mai. Und da ...«
    Pouchet hob die Hände und ließ sie schwer auf den Resopaltisch fallen.
    »Da sind drei

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