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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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alles andere als friedlich sind. Die würden nicht dran denken, dir ein Tuch auf den Kopf zu legen.«
    Louis schlug das Lenkrad ein und fuhr aus der Parklücke.
    »Und ich, meine Liebe, habe die Absicht, diese beiden Typen zu finden«, fügte er hinzu.
     

19
     
    Louis schlief lange und wachte schweißgebadet auf. Die Hitze hatte noch eine Spur zugenommen. Während der Kaffee durchlief, rief er im Bistrot in der Rue Chasle an, das merkwürdigerweise L'Âne rouge, der rote Esel, hieß. Das erinnerte Louis an die Wette, die er am Vorabend mit Jacques Pouchet geschlossen hatte, und er fragte sich, wie dieses schwierige Geheimnis der Herstellung eines Maultiers wohl zu ergründen wäre, das ihm ansonsten völlig schnurz war. Aber es war keine Wette wie jede andere, sie hatte einen zweifachen Kern. Hinter der Wette stand der Pakt, und das Schweigen von Pouchet war entscheidend. Sollte Loisel erfahren, daß Louis über die Identität des Mannes auf dem Phantombild Bescheid wußte, wäre Clement Vauquer binnen Stundenfrist eingelocht.
    Die Wirtin vom Âne rouge bat ihn, einen Moment zu warten, sie würde Vandoosler den Älteren ans Telefon holen. Der Ex-Bulle verbrachte Stunden damit, im Hinterraum des Cafés mit ein paar Typen aus dem Viertel Karten zu spielen. Seit ein paar Monaten war auch eine Frau dabei, für die er anscheinend eine Schwäche hatte. Aufs Geratewohl und ohne groß daran zu glauben, öffnete Louis sein Lexikon beim Stichwort Maultier und entdeckte überrascht, daß es sich um »eine Kreuzung aus Eselhengst und Pferdestute« handelte. Für alle Unwissenden war in Klammern noch hinzugefügt, daß die Kreuzung zwischen einem Hengst und einer Eselin Maulesel hieß. Überrascht stellte Louis das Telefon auf den Tisch. Es verwirrte ihn, zu entdecken, daß er eine Tatsache nicht kannte, die für die gesamte Welt offenkundig schien. Außer für Pouchet, der folglich genauso bescheuert war wie er, was ihn nicht tröstete. Wenn es schon so weit war, dann würde er vielleicht noch andere Abgründe entdecken, vielleicht die wahre Bedeutung des Wortes Stuhl oder des Wortes Flasche, über die er sich vielleicht seit fünfzig Jahren irrte, ohne es zu merken. Louis suchte die Karte, auf der er seine Wette notiert hatte. Er erinnerte sich nicht mehr, welche Variante er gewählt hatte.
    Eselin/Pferd, also Maulesel. Mist. Er goß sich eine große Tasse Kaffee ein und hörte plötzlich, wie eine Stimme im Telefon quäkte.
    »Entschuldige«, sagte er Vandoosler dem Älteren, »ich hatte ein Fortpflanzungsproblem ... Antworte mir kurz ... Wie war die Nacht? Vauquer? ... Gut ... gut ... Hat Marthe ihn gesehen? War sie auch zufrieden? O. k., danke dir ... Nichts weiter in den Zeitungen? Gut ... Sag Marc, daß die ganze Geschichte mit der Vergewaltigung stimmt ... Ja ... Nicht jetzt ... Ich mache mich auf die Suche nach dem Direktor ...«
    Louis legte auf, stellte das Lexikon zurück und rief das Kommissariat in Nevers an. Pouchet war nicht da, und seine Sekretärin nahm den Anruf entgegen. Sagen Sie ihm, bat Louis, wir nähmen immer noch an, ich hätte recht, nur nicht, was die Maultiere angeht, und ich würde ihm ein Bier schulden. Die Sekretärin ließ sich das zweimal wiederholen, notierte es und legte kommentarlos auf. Louis duschte, setzte Bufo dann wegen der Hitze ins Badezimmer und ging zur Post. Er fand die Adresse von Paul Merlin ohne Schwierigkeiten. Es war Samstag, vielleicht hatte er Glück und würde ihn zu Hause antreffen. Louis hob den Blick zu der großen Pendeluhr. Zehn nach zwölf. Er würde Merlin beim Mittagessen mit der Familie stören, lächerlich. Sein etwas mitgenommenes Jackett war auch nicht passend: Merlin wohnte in der Rue de l'Université, im 7. Arrondissement. Louis hätte sich denken können, daß der Verkauf des Anwesens in Nevers ein paar Millionen eingebracht haben mußte und daß der Mann nicht gerade in einem Loch wohnte. Es wäre sicher besser, sich offiziell zu kleiden, für den Fall, daß der Direktor es mit der Kleiderordnung sehr genau nehmen würde, was im Erziehungswesen nicht selten ist.
    Louis wartete also bis halb drei, bevor er in der Rue de l'Université vor einem kleinen, zweistöckigen Stadtpalais mit kleinem Hof aus dem 18. Jahrhundert vorstellig wurde. Er trug ein weißes Hemd, einen leichten grauen Anzug und eine braune Krawatte, und er überprüfte sein Erscheinungsbild nochmals im Fenster der benachbarten Bank. Seine Haare waren etwas zu lang, und er strich sie an den

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