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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Werkzeugschuppen hier? Führ uns hin.«
    »Weshalb?«
    »Weil du keine Wahl hast. Wegen der Frau aus Nevers.«
    »Scheiße! Ich hab sie nicht angerührt.«
    »Vorwärts. Marc, halt ihn fest.«
    »Meine Flasche!« rief Thevenin.
    »Du wirst sie schon wiederfinden. Vorwärts!«
    Thevenin führte sie mit schwankenden Schritten bis zum anderen Ende des Friedhofs.
    »Ich weiß nicht, was dir hier gefällt«, sagte Louis.
    »Es ist ruhig«, erwiderte Thevenin.
    »Mach auf«, sagte Louis, als sie vor einer kleinen Holzhütte angelangt waren.
    Thevenin, den Marc festhielt, kam dem Befehl nach, und Louis beleuchtete den kleinen Raum, in dem sich gängiges Gartenwerkzeug stapelte. Zehn Minuten durchsuchte er sorgfältig die Hütte, wobei er von Zeit zu Zeit das Gesicht Thevenins betrachtete, der gelegentlich in höhnisches Gelächter ausbrach.
    »Begleite uns zum Tor und laß uns raus«, sagte er, als er die Tür der Hütte wieder hinter sich schloß.
    »Wenn ich will.«
    »Genau das. Wenn du willst. Los, vorwärts.«
    Als sie am Tor angekommen waren, drehte Louis sich zu Thevenin um und packte ihn sanft am Hemd.
    »Jetzt hör auf zu lachen und hör mir gut zu, Schnitter: Ich komm dich wieder besuchen, verlaß dich auf mich. Versuch nicht, abzuhauen, das wäre ein gravierender Fehler. Und komm nicht auf den Gedanken, auch nur eine einzige Frau anzurühren, hörst du? Eine einzige Verfehlung, ein einziges Opfer, und du wirst dich zu deinen Freunden auf dem Friedhof gesellen, glaub mir das. Ich laß dir keine Chance, wo immer du auch hingehst. Denk immer daran.«
    Louis nahm Marc am Arm und schloß das Portal hinter ihnen.
    Als sie am Boulevard Raspail angelangt waren, fast verwundert, die Stadt wiederzusehen, fragte Marc:
    »Warum hast du deinen Vorteil nicht ausgenutzt?«
    »Was für einen Vorteil? Keine Gartenschere in der Tasche, keine Gartenschere in der Hütte. Auch keine Haushaltsschere, keine Stanze oder sonst etwas in der Art. Und die Hefte sind ganz.«
    »Und bei ihm zu Hause? Warum hast du nicht verlangt, daß er uns zu sich nach Hause führt?«
    »Mit welchem Recht, Marc? Der Typ da ist besoffen, aber er ist kein Schwachkopf. Er wäre in der Lage, die Bullen aufzusuchen und Anzeige zu erstatten. Von dem ›Schnitter‹ ist es nur ein Schritt zu Clement, und von uns zu Clement ein anderer. Wenn der ›Schnitter‹ Anzeige erstatten und seine Geschichte erzählen würde, dann wären die Bullen am nächsten Morgen bei dir, um Clement einzusammeln. Siehst du, wir haben nicht viel Spielraum.«
    »Aber wie könnte der ›Schnitter‹ sagen, daß du das bist? Er weiß nicht mal deinen Namen.«
    »Das könnte er tatsächlich nicht. Aber Loisel weiß, daß die Sache mich interessiert, er würde den Zusammenhang herstellen. Und er würde finden, daß ich ein bißchen zu weit gehe, ohne ihn zu informieren. Wir sind nicht nur von Dummköpfen umgeben, Marc, das ist das Problem.«
    »Ich verstehe«, sagte Marc. »Wir stecken in der Klemme.«
    »Zum Teil. Es gibt Schlupflöcher, aber wir müssen uns sehr sorgfältig hindurchlavieren. Ich hoffe, ihn wenigstens für einige Zeit eingeschüchtert zu haben. Und ich werde ihn nicht aus den Augen lassen.«
    »Fang nicht an zu träumen. Bei so einer Art Mörder haben Drohungen wenig Sinn.«
    »Ich weiß nicht, Marc. Jetzt fährt kein Bus mehr, suchen wir uns ein Taxi, ich habe die Nase voll.«
    Auf der Höhe der Metrostation Vavin stoppte Marc ein Taxi.
    »Kommst du noch mit in die Baracke, ein Bier trinken?« fragte er Louis. »Das würde dich entspannen.«
    Louis zögerte und entschied sich für das Bier.
     

22
     
    Im Refektorium der Baracke in der Rue Chasle brannte noch Licht. Louis sah auf die Uhr, es war eine Stunde nach Mitternacht.
    »Lucien arbeitet ja lange«, sagte er und stieß das alte Tor auf.
    »Ja«, erwiderte Marc mit einer gewissen Würde. »Er ist ein Arbeitstier.«
    »Wie schafft ihr das eigentlich, Clement während der Nacht zu bewachen?«
    »Wir schieben die Bank vor die Tür und schlafen da sozusagen als Sperre mit zwei Kissen. Das ist nicht sehr bequem. Aber Clement kann nicht vorbei, ohne daß man es spürt. Mathias schläft unter der Bank und ohne Kissen. Aber Mathias ist ein besonderer Fall.«
    Louis wagte nicht, dazu etwas zu sagen. Er hatte mit seinem Urteil über Lucien vorhin schon genug Schaden angerichtet.
    Lucien saß noch immer an seinem Platz an dem großen Tisch. Er arbeitete nicht. Er hatte den Kopf auf seine Arme gelegt und schlief tief und fest

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