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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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der Ex-Bulle herunter. »Es ist offen, drück doch die Tür auf, verdammt!«
    Louis schüttelte den Kopf, durchquerte erneut die Brache und trat ein. Von seiner Tür im vierten Stock aus rief Vandoosler der Ältere ihm zu, daß der heilige Markus bis elf beim Putzen sei, der heilige Lukas beim Unterricht - Gott erbarme sich der Schüler - und der heilige Matthäus unten im Keller, mit er wisse schon.
    »Was machen sie im Keller?« rief Louis zurück.
    »Sie kleben Feuersteine zusammen!« rief der Alte, bevor er seine Tür wieder schloß.
    Nachdenklich und müde ging Louis die kleine Wendeltreppe hinunter, die nach feuchtem Kork roch. In dem gewölbten Kellerraum stand Mathias zwischen einer mit Werkzeug überladenen Werkbank, die von Telefonbüchern gestützt wurde, und einem Stapel Weinkisten über einen hellerleuchteten langen Tisch gebeugt, auf dem Hunderte von kleinen Feuersteinsplittern ausgebreitet waren. Louis setzte zum ersten Mal den Fuß in diesen Keller, er hatte keine Ahnung gehabt, daß Mathias sich hier in den Tiefen der Erde ein Refugium eingerichtet hatte. Neben ihm stand Clement und prüfte mit eifrigem Gesichtsausdruck, gerunzelter Stirn und in seinen frischen Bart hängender Zunge einen Steinsplitter. Marthe saß auf einem hohen Malerschemel an die Flaschen gelehnt und murmelte, eine kleine Zigarre im Mund, vor sich hin, während sie ihre Kreuzworträtsel löste.
    »Ach, Ludwig«, sagte sie, »du kommst gerade recht. › Ein ... für ein Pferd‹ mit zehn Buchstaben, der fünfte ein g ?«
    »›Königreich‹« sagte Mathias, ohne den Blick von seinen Feuersteinen zu heben.
    Etwas erschüttert fragte sich Louis, wer sich in dieser Baracke eigentlich genaue Vorstellungen vom Ernst der Lage machte. Mathias streckte ihm die Hand hin, begrüßte ihn mit einem unbekümmerten Lächeln und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Wenn Louis recht verstand, so bestand das Ziel der Operation offenbar darin, den ursprünglichen Feuersteinblock zu rekonstruieren, den ein prähistorischer Mensch mühsam in Hunderte von Splittern zerlegt hatte. Mit verblüffender Behendigkeit wählte Mathias einzelne Stücke aus und probierte eines nach dem anderen, bevor er sie zurücklegte. Clement stand neben ihm und war damit beschäftigt, zwei Feuersteinstücke ohne großes Geschick aneinander anzupassen.
    »Zeig her«, sagte Mathias. Clement streckte ihm die Hand hin und zeigte, was er zusammengefügt hatte.
    »Das ist o. k.«, Mathias nickte. »Du kannst jetzt kleben. Aber die Klebestreifen nicht zu lang.«
    Der große Jäger und Sammler hob den Kopf und lächelte Louis zu.
    »Vauquer ist persönlich sehr begabt, was ihn betrifft«, sagte er. »Er hat wirklich ein genaues Auge. Und das Zusammensetzen von Feuersteinen ist eine knifflige Sache.«
    »Wie alt ist das?« fragte Louis höflich.
    »Zwölftausend vor.«
    Louis nickte. Er hatte den Eindruck, es wäre ungehörig, hier in Mathias' paläolithischem Schlupfwinkel das Foto der Toten aus Nevers herauszuziehen. Besser, er ginge mit Clement hinauf.
    Louis ging mit dem jungen Mann ins Erdgeschoß und setzte sich an den großen Holztisch; die Fensterläden in dem Raum waren noch immer geschlossen.
    »Geht es dir hier gut?« fragte er.
    »Gestern hat jemand an die Tür geklopft, und alle haben sich Sorgen um mein persönliches Schicksal gemacht«, antwortete Clement.
    »Willst du damit sagen, daß Besuch hier war?« fragte Louis beunruhigt.
    Clement nickte würdevoll und richtete seinen trüben Blick auf Louis.
    »Ein sehr langer Besuch von einer Fremden«, bestätigte er. »Aber ich bin mit Mathias in den Keller gegangen. Da ich traurig war mit der Langeweile, ist das der Grund, wegen dem Mathias mich mit den Steinen in Stücken arbeiten läßt. Ein Mensch hat die Stücke gemacht, sehr lange vor meiner persönlichen Geburt. Es ist wichtig, daß sie repariert werden, wegen ihrer Kenntnis. Abends nach dem Omelett habe ich mit dem alten Paten Mau-Mau gespielt als Ersatz, weil es kein Fernsehen gibt. Die Fremde war fortgewesen.«
    »Hast du noch mal an die Frauen gedacht? An die Verbrechen?«
    »Aber nein. Vielleicht habe ich wieder daran gedacht, aber dann erinnere ich mich gar nicht mehr.«
    In diesem Augenblick betrat Marc mit einem Stapel Hemden unter dem Arm den Raum und grüßte schwach.
    »Kopfschmerzen«, erklärte er im Vorbeigehen. »Wahrscheinlich der Cognac gestern. Ich mach uns einen starken Kaffee.«
    »Gerade wollte ich dich darum bitten«, erwiderte Louis. »Ich

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