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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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habe nur zwei Stunden geschlafen.«
    »Schlaflosigkeit?« fragte Marc erstaunt und legte sein Bündel im Wäschekorb ab. »Hast du nicht mal das System mit den ekligen kleinen Teufeln ausprobiert?«
    »Doch. Aber sie sind unter einem Ansturm hölzerner Frauen erdrückt worden.«
    »Ach so, ja«, bemerkte Marc, während er Tassen holte, »das kann vorkommen.«
    »Interessiert dich die Geschichte meiner vergangenen Nacht nicht?«
    »So halb.«
    »Na, dann hör trotzdem mit größter Aufmerksamkeit zu«, sagte Louis und öffnete die Akte Claire Ottissier. »Vergangene Nacht hat eine der Holzfiguren von Clairmont so lange meinen Schädel gerammt, bis ich ihr ein Gespräch gewährt habe, das dieser Bezeichnung würdig ist. Es tat sehr weh und hat mich vom Schlafen abgehalten.«
    »Bist du sicher, daß es nicht der Cognac war?«
    »Der Cognac auch, ganz sicher, aber es war vor allem diese verdammte Figur aus hartem Holz, glaub mir. Erinnerst du dich an die, die an der großen Pendeluhr lehnte, mit dem Gesicht zur Wand?«
    »Ja, aber ich habe sie mir nicht angesehen.«
    »Ich schon. Das ist sie«, sagte Louis und schob das Zeitungsfoto über den Tisch. »›Originalgetreu‹, wie Clairmont sagen würde.« Marc näherte sich dem Tisch, den Topf mit kochendem Wasser in der Hand, und warf einen Blick auf den vergilbten Zeitungsausschnitt.
    »Nie gesehen«, sagte er.
    »Und du, Clement?« fragte Louis und schob ihm das Foto zu.
    Marc schluckte zwei Tabletten und brachte dann den Kaffee, während sich Clement die Frau ansah und Louis sich Clement ansah.
    »Muß ich persönlich etwas sagen über die Frau?« fragte Clement.
    »Ganz richtig.«
    »Was zum Beispiel?«
    Louis seufzte.
    »Kennst du sie nicht? Hast du sie noch nie gesehen? Und sei es nur an einem Abend vor acht Jahren in Nevers?«
    Clement sah Louis mit offenem Mund wortlos an.
    »Mein Gott, raube ihm nicht noch das letzte bißchen Verstand«, sagte Marc und schenkte den Kaffee ein.
    »Fang jetzt bitte nicht an wie Marthe, verdammt. Er ist nicht aus Zucker.«
    »Doch, er ist ein bißchen aus Zucker«, wandte Marc steif ein. »Wenn du dich aufregst, zieht er sich zurück. Sag ihm klar, was du willst, und stell ihm keine Fallen.«
    »Also gut. Sie wohnte in Nevers, hieß Claire und wurde eines schönen Abends vor acht Jahren in ihrer Wohnung erwürgt. Der Mörder hat sie mit Stichen übersät. Neben ihrem Kopf waren dieselben kleinen Spuren zu sehen wie bei den drei Opfern vom Square d'Aquitaine, der Rue de la Tourdes-Dames und der Rue de l'Etoile. Das heißt, daß der Scherenmörder seine Serie lange vor Paris begonnen hat. Er hat mit dieser Frau in Nevers angefangen.«
    »Ist sie tot?« fragte Clement und legte seine Hand auf das Gesicht der Frau.
    »Mausetot«, erwiderte Louis. »Danach ist der Mörder für acht Jahre verschwunden, vielleicht ins Ausland, und dann ist er nach Paris gekommen und hat neu angefangen.«
    »Das ist der ›Schnitter‹«, knurrte Clement. »Tschik, tschik.«
    »Der ›Schnitter‹ oder der dritte Mann«, sagte Louis. »Der namenlose Vergewaltiger.«
    »Warum aber hat der Typ die Frau im Park vergewaltigt und die anderen nicht angerührt?« fragte Marc und zog die Zeitung näher zu sich.
    »Der dritte Mann hat die Frau im Park vielleicht gar nicht angerührt. Frag Clement. Er hat uns gesagt, daß er als erster geflüchtet ist, weil er angezogen war, erinnerst du dich?«
    »Clairmont?« fragte Marc und las aufmerksam den Zeitungsausschnitt durch.
    »Auf jeden Fall hat er sie in Holz verewigt, und das ist höchst bedenklich. Genau wie er auch Nicole Verdot geschnitzt hat.«
    »Aber er war nicht acht Jahre lang verschwunden genausowenig wie der ›Schnitter‹.«
    »Tschik«, sagte Clement, das Gesicht über seiner Kaffeetasse.
    »Ich weiß«, fuhr Louis fort. »Ich habe Merlin über das Leben seines Schwiegervaters befragt, und der Alte ist ihm zu seinem großen Ärger nie von den Fersen gewichen. Aber genau wie der ›Schnitter‹ war er vielleicht all die Jahre vorsichtig und hat sich zurückgehalten mitsamt seiner ...«
    »Seiner Fliege«, schlug Marc vor. »Mitsamt seiner Mistfliege und ihrem brummenden, irren Flug in seinem dicken Helm.«
    »Wenn du so willst«, erwiderte Louis und fuhr mit der Hand durch die Luft, wie um das Insekt zu verjagen. »Es sei denn, der dritte Vergewaltiger wäre ein anderer, ein unbekannter Komplize des ›Schnitters‹. Er macht bei der Vergewaltigung der jungen Frau mit, bringt sie dann in der Nacht um, genau

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