Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter

Titel: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Mackay
Vom Netzwerk:
immer daran, dass es ihm hier noch nie gefallen hat, weil es hier nur ums Frauenaufreißen geht und Frauen ihn nicht attraktiv finden, egal, wie dunkel es ist.
    Vor ihm eine breite, mit Teppichboden ausgelegte Treppe, schmale Stufen, bei denen man sich leicht verschätzt. Viele Leute sind hier beim Raufsteigen schon gestolpert. Calum ist jedes Mal vorsichtig, nicht aus Angst, sich zu verletzen, sondern um nicht dumm auszusehen. Oben an der Treppe eine hölzerne Flügeltür mit rechteckigen Fenstern. Er stößt einen Türflügel auf und betritt den Snookersaal. Acht grüne Tische, zweimal vier, dazwischen jede Menge Platz. An den Wänden Anzeigetafeln, neben jedem Tisch ein kleiner Automat. Wenn man ein Pfund bezahlt, hat man eine halbe Stunde lang Licht. Die Tische bringen nicht genug Geld für den Platz, den sie beanspruchen, doch Snooker ist eine von Peter Jamiesons vielen verblüffenden Leidenschaften. An einer Wand eine kleine altmodische Bar. Kein aromatisierter Wodka, nur Bier und Whisky. Heute ist sie geschlossen. Anscheinend wegen Reinigungsarbeiten.
    An einem Tisch mitten im Saal steht John Young und reibt seinen Queue mit Kreide ein. Die Kugeln sind auf dem Tisch verstreut, noch keine eingelocht. Vielleicht hat er gerade erst angefangen, vielleicht spielt er auch bloß grottenschlecht. Calum hat ihm noch nie zugeschaut, er weiß es nicht. Er weiß, dass Jamieson gut ist. Das weiß jeder. Jeder weiß, dass Jamieson Unterricht bei Profis genommen hat. Young hat bestimmt was von seinem Boss gelernt.
    »Calum, wie geht’s?«
    »Gut.« Er geht zu dem Ständer und sucht sich einen Queue aus. Er hat Jeans und ein T-Shirt an, nur im T-Shirt kann er gut spielen. Ärmel sind hinderlich.
    Young schiebt alle Roten wieder in die Mitte des Tisches und stülpt das Dreieck drüber. Er legt die Kugeln sorgfältig an ihren Platz. Alles exakt, ausgeführt von jemandem, der oft spielt und gegen einen ernstzunehmenden Gegner antritt. »Schönes Wetter heute«, sagt er schließlich.
    »Stimmt. Du fängst an.«
    Young beugt sich vor, zielt und stößt. Nur eine Rote löst sich, die Weiße rollt wieder zurück. Ein sicherer Stoß, der den nächsten erschweren soll. Damit der andere nicht gewinnt.
    Es bleibt spannend, bis klar wird, dass sich Young locker durchsetzt. Calum bemüht sich, Young diktiert, und es dauert bloß zehn Minuten, bis er einen riesigen Vorsprung hat. Dann wird geredet.
    »Hast du in letzter Zeit für irgendwen gearbeitet?«, fragt Young. Das erste Mal, dass er wirklich vom Geschäft spricht, das erste Anzeichen, dass es bei dem Treffen genau darum geht. Eine Scheinfrage. Natürlich arbeitet Calum, ihm bleibt gar nichts anderes übrig. Young will wissen, ob er mehrmals für dieselbe Person gearbeitet hat oder sich bloß hat treiben lassen. Wahrscheinlich kennt er die Antwort schon, will nur sehen, ob Calum ihn überraschen kann. Kann er aber nicht.
    »Nein. Nur kleinere Sachen. Freischaffend. Wie immer.«
    Ein, zwei Minuten lang Schweigen. Weitere sorgfältig vorbereitete Stöße, auch wenn der Frame längst gewonnen ist, sich rechnerisch nicht mehr dran rütteln lässt. Als das Spiel vorbei ist und die Kugeln wieder zurechtgelegt werden – Best of Three –, spricht Young weiter.
    »Wir haben zurzeit niemanden. Schlimm, dass Frank ein paar Monate ausfällt.«
    »Habt ihr das nicht kommen sehen?«
    Young lacht. Ein kurzes, freudloses Lachen. »Frank gehört zu den Leuten, die nicht zugeben können, wenn was mit ihnen nicht stimmt. Erst wenn’s zu spät ist. Er hätte uns vorwarnen sollen. Hat’s schon ewig gewusst und kein Wort gesagt.« Young zuckt mit den Schultern, als wollte er sagen: Was kann man da machen?
    Diesmal stößt Calum an. Das reinste Durcheinander: überall Rote, die Weiße mitten auf dem Tisch. Übermotiviert. Young ist so selbstsicher, dass er früh zu reden beginnt.
    »Wie alt bist du, Calum?«
    »Neunundzwanzig.«
    »Nicht mehr der Jüngste.« Young lacht selbstironisch. Er ist korpulent, sieht mit dreiundvierzig aber noch jung aus. Als er lacht, funkeln seine Augen, als würde er es ernst meinen. Die Stirn legt sich in Falten, sein zerzaustes dunkles Haar fällt ihm ins Gesicht. Er wirkt ausgelassen, doch man vergisst nie, wer er ist. »Hast du schon mal daran gedacht, sesshaft zu werden?«
    Das ist beruflich gemeint, nicht privat. »Überhaupt noch nicht. Kommt vielleicht irgendwann. Ich hab nicht das Gefühl, dass ich’s brauche. Ich mag meine Freiheit, aber mal sehen, wie’s

Weitere Kostenlose Bücher