Der Unwillige Braeutigam
Gesicht war rot vor Verlegenheit. Was sie da sagte, war die Wahrheit. Sie war ihm nicht nach hier draußen gefolgt, um ihn zu ermutigen, sich Freiheiten herauszunehmen, ganz zu schweigen davon, sich daran auch noch selbst zu beteiligen. Sie hatte ihn treffen wollen, ihm gegenüber stehen wollen und endlich die Neugier befriedigen, die sie seinetwegen seit sechs langen Jahren plagte.
„Ach ja? Nun, ich freue mich jedenfalls auf unser nächstes … Treffen.“ Er sprach leise und lächelte beinahe sanft, als sei er in etwas eingeweiht, von dem sie nichts wusste.
Vielleicht Gedanken an all die Dinge, die er wollte – mit ihr zu tun vorhatte.
Ihr Gesicht brannte. „Ich sollte zurückgehen. Missy wird sich fragen, wohin ich verschwunden bin.“ Sie zögerte, wartete, wusste aber nicht worauf. Ganz bestimmt nicht, um zu sehen, ob er versuchen würde, sie zu überzeugen, dass sie hier blieb, um mehr von diesen berauschenden Küssen zu erleben. Ihre zügellose Erwiderung sprach jedenfalls Bände.
„In dem Fall will ich Sie nicht aufhalten.“ Er deutete eine Verbeugung an.
So war es am besten.
„Es wäre vermutlich klug, wenn wir nicht gemeinsam zurückkehren. Ich werde den Eingang auf der Seite nehmen. Rutherford hält die Tür für solche Fälle unverschlossen. Wenn Sie wollen, gehe ich zuerst.“ Er hob fragend eine Braue, war jetzt ganz Ritterlichkeit und Haltung.
Elizabeth erklärte sich mit einem knappen Nicken einverstanden und schaute zu, wie er ging, ruhig und trittsicher von der mondlosen Nacht verschluckt. Als seine Schritte verklungen waren, machte sie auf dem Absatz kehrt und blickte sich hastig um, ehe sie zu den Terrassentüren zurücklief.
Und dann ertönte eine andere Stimme aus dem Dunkel. „Ah, Miss Smith. Was für eine Überraschung.“
Kapitel drei
Beim Klang der näselnden Stimme von Lady Danvers erstarrte Elizabeth unverzüglich wie ein kleines Beutetier, das plötzlich Gefahr witterte. Ihre Instinkte rieten ihr, sich nicht umzudrehen, sondern wegzulaufen und sich zu verstecken.
Aber sie wusste, sie konnte dem Einfluss der verwitweten Lady nicht entkommen, und sich zu verstecken würde nur den Verdacht der Klatschbasen erregen, die einen sich zusammenbrauenden Skandal noch im Schlaf rochen.
Vielleicht hatte Lady Danvers gar nichts Unerlaubtes mit angesehen, das als Gerücht taugte, ob nun bösartig oder nicht. Vielleicht blieb sie nur stehen, um Freundlichkeiten mit ihr auszutauschen. Was für ein hübscher Traum, nur leider nicht sehr wahrscheinlich.
Ihre Lippen entschlossen zu einem Lächeln verziehend, drehte sich Elizabeth um, stellte sich der Bedrohung.
Oh Himmel! Lady Danvers‘ Gegenwart allein war schon schlimm genug, aber zu Elizabeths wachsender Beunruhigung entdeckte sie Mrs. Abernathy an ihrer Seite, eine der ältesten und besten Freundinnen ihrer Mutter. Deren hochgezogene Augenbrauen und fest zusammengepresste Lippen verrieten eine Mischung aus Schock und Sorge.
Was, um Himmels willen, tat sie hier? Ihre Mutter hatte erwähnt, dass ihre Freundin mit ihrer Nichte London einen Besuch abstatten wollte, aber nie ein Wort über eine Bekanntschaft mit ihrer Cousine Missy oder ihrem Cousin James verloren.
„Wer war das, mit dem Sie zusammen waren?“, fragte Lady Danvers scharf, und ihre Stimme klang hochnäsig und schrill. Ihre Augen, von einem Blau, das kein Dichter je besingen würde, blitzten triumphierend hinter einem Paar goldgerahmter Brillengläser.
Als Elizabeth nicht sogleich antwortete – denn ihr wollte einfach nichts einfallen, womit sie ihr Gesicht wahren würde – machte die ältere Frau eine verächtliche Bewegung mit ihrer behandschuhten Hand, während sie sie vom Kopf bis zu den Füßen und wieder zurück einer rüden Musterung unterzog. „Sie sollten sich schämen, Miss. Mir ist klar, es ist Ihre erste Saison, aber in der Londoner Gesellschaft erwartet man von Mädchen, frisch vom Land, dass sie sich besser benehmen als Stallkatzen. Lockere Moral hat keinen Platz hier.“
Elizabeth hätte es vorgezogen, von einem Richter ins Kreuzverhör genommen zu werden, als Lady Danvers‘ Gardinenpredigt anhören zu müssen. Ihre Welt ging um sie herum in Scherben, und sie konnte wenig tun, um die Vernichtung aufzuhalten.
Im Unterschied zu ihrer Begleiterin schien Mrs. Abernathy, mit ihrer zierlichen Figur und dem einnehmenden Auftreten auch sonst völlig anders als die Dowagercountess of Danvers, nicht willens zu sein,
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