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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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legen.«
    Solinas beachtete sie nicht mehr. Sie aber erkannte in seinen Augen, was in seinem Kopf vorging: ein Fall wie ein weihnachtlich dekoriertes Schaufenster, eine spektakuläre Beförderung, ein direkter Aufzug in die oberste Etage.
    Solinas stand auf und klopfte an die Glastür.
    »Ich lasse dir die Akte da. Mach deine Hausaufgaben. Ich melde mich.«
    Mit diesen Worten war er draußen. Anaïs fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht, als wollte sie ihre Züge glätten. Sie wusste nicht mehr genau, worum sie eigentlich kämpfte. Aber sie hatte eine Runde gewonnen.

C haplain hatte einen Palast aus Gold und Marmor erwartet, doch das Theodor war ein kleines, etwas zurückgesetztes Gebäude im Art-déco-Stil und lag in einer Sackgasse, die von der Rue d’Artois abging. Als er sich dem Haus aber näherte, begriff er, dass die wenig üppigen Ausmaße, die Lage und die offensichtliche Bescheidenheit des Anwesens einen viel größeren Luxus darstellten als bei großen Häusern im Stil des George V oder des Plaza Athénée.
    Er durchquerte einen mit Kies bestreuten Hof und erreichte den unter einer Markise liegenden Eingang. Es gab weder einen Portier noch ein Schild oder Fähnchen. Alles an diesem Haus wirkte äußerst diskret. Die Halle war mit dunklem Holz getäfelt; am Ende des Raums knisterte ein offenes Kaminfeuer, vor dem einige Sessel standen. Der Empfang ähnelte einer minimalistischen Holzskulptur. In hohen Glasvasen blühten weiße Orchideen.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, mein Herr?«
    »Ich bin mit Madame Sophie Barak verabredet.«
    Der Mann, der eine dunkelblaue Seidenjacke mit Maokragen trug, hob ein Telefon ab und sprach leise in den Hörer. Chaplain beugte sich über die Empfangstheke.
    »Mein Name ist Nono, und ich komme auf Empfehlung von Yussef. Sagen Sie ihr das bitte.«
    Der Mann hob die Augenbrauen. Widerstrebend wiederholte er Nonos Worte und lauschte aufmerksam der Antwort, während er Chaplain aus dem Augenwinkel beobachtete. Schließlich legte er auf.
    »Madame Barak erwartet Sie«, erklärte er mit sichtlichem Unwillen. »Zweite Etage, Suite 212.«
    Chaplain nahm den Aufzug. Im ganzen Haus herrschte eine gewisse Zen-Atmosphäre: indirekte Beleuchtung, dunkle Wände, weiße Orchideen. Die Ausstattung war geeignet, entweder die Nerven zu beruhigen oder aber einen Tobsuchtsanfall auszulösen.
    Als er aus dem Aufzug stieg und in Richtung der Suite ging, sah er im Flur drei ziemlich üppige Damen, die herumkreischten wie wohlgenährte Papageien. Sie küssten einander, tätschelten sich die Schultern und lachten viel zu laut. Alle drei waren über fünfzig, trugen farbige Schneiderkostüme, mit Haarspray betonierte Frisuren und viel glitzerndes Geschmeide, das wie ein Feuerwerk funkelte. Vermutlich waren es libanesische oder ägyptische Ehefrauen, die in Paris auf Shoppingtour gingen. Oder sie befanden sich im Exil und warteten darauf, dass ihre Ehemänner in ihrem Land wieder an die Macht kamen.
    Langsam ging er auf sie zu und neigte grüßend den Kopf. Die kleinste der Damen, die auf der Schwelle des Zimmers stehen geblieben war, lächelte ihn strahlend an. Die blitzenden Zähne in ihrem dunkelhäutigen Gesicht erinnerten ihn an die antiken Skulpturen Babylons, an mit Elfenbein eingelegten Marmor.
    »Komm rein, Kleiner. Ich bin gleich bei dir.«
    Chaplain lächelte, um seine Überraschung zu verbergen. Der vertrauliche Ton ließ darauf schließen, dass sie sich kannten. Wieder ein Puzzlestück, das er vergessen hatte?
    Er trat ein. Das erste Zimmer der Suite war im klassischen Stil eines hochpreisigen Hotels eingerichtet. Weiße Wände, beigefarbene Polstermöbel, Vorhänge in Goldtönen. Überall standen und lagen Gepäckstücke mit dem LV-Emblem von Vuitton herum. Aus einem halb geöffneten Schrankkoffer quollen Abendkleider. Die Ausstattung einer Abenteurerin, die nur fürstliche Gefilde bereiste.
    Hinter sich hörte er das Lachen der Frauen auf dem Flur, dann wurde die Tür geschlossen. Als er sich umdrehte, funkelte Sophie Barak ihn böse an.
    »Was hast du hier zu suchen? Hat Yussef dich geschickt?«
    Verblüfft registrierte Chaplain den veränderten Tonfall. Doch zunächst wollte er sich Sicherheit verschaffen.
    »Entschuldigen Sie, aber kennen wir uns?«
    »Ich warne dich! Ich verhandle niemals direkt. Wenn du Yussef hintergehen willst …«
    »Ich bin auf der Suche nach Informationen.«
    »Informationen?« Sie lachte kalt. »Das wird ja immer besser!«
    »Ich mache mir Sorgen

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