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Der Ursprung des Bösen

Der Ursprung des Bösen

Titel: Der Ursprung des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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um eine Freundin.«
    Sophie zögerte. Irgendetwas in Chaplains Auftreten schien sie zu verunsichern. Vielleicht, dass er so ehrlich wirkte. Auf jeden Fall sah er nicht aus wie ein Bulle. Sie ging quer durch das Zimmer, öffnete einen Schrank, nahm einen Arm voll Kleider heraus und stopfte sie ohne jegliche Umstände in eine große Tasche. Die hölzernen Kleiderbügel klapperten. Die Libanesin schien abreisen zu wollen.
    Chaplain betrachtete sie. Ihre Haut war braun und ihr Haar schwarz und glänzend. Sie trug es toupiert wie in den sechziger Jahren. Ihre kleine, rundliche Gestalt versprühte eine atemberaubende Erotik. Unter der Kostümjacke blitzte eine weit ausgeschnittene weiße Bluse hervor. Die dunkle Spalte, die sie enthüllte, wirkte noch sinnlicher als ihr Lachen. Er konnte kaum die Augen abwenden.
    Inzwischen stand sie wieder vor ihm, die Hände auf die Hüften gestützt. Mit der Höflichkeit einer Königin hatte sie ihm den kurzen Augenschmaus gegönnt.
    »Und wie heißt deine Freundin?«
    »Medina Malaoui.«
    Ohne ihm zu antworten, öffnete sie die Tür und verschwand im Nebenzimmer. Vermutlich war es das Schlafzimmer. Chaplain wagte nicht, sich vom Fleck zu rühren.
    »Kommst du?«
    Er trat über die Schwelle und stand vor einem riesigen Bett, das mit orientalisch bestickten Kissen geschmückt war. Sophie Barak war verschwunden. Als er sich umsah, entdeckte er sie. Sie saß rechts von ihm vor einem Frisiertisch. Gerade wollte er seine Frage wiederholen, als sie sich plötzlich mit einer knappen Bewegung das Haar vom Kopf riss. Sophie Barak war vollständig kahl.
    »Stell dich nicht so an«, schmunzelte sie und warf ihm im Spiegel einen Blick zu. »Es ist nichts dabei. Brustkrebs, Bestrahlung und Chemo.«
    Sie zog die Kostümjacke aus und begann ohne die geringste Schamhaftigkeit ihre Bluse aufzuknöpfen.
    »Seit ich krank bin, ist mir alles egal. Die Abendveranstaltungen, das Geld, die Kunden. Ich habe nichts mehr damit zu tun. Ich verschwinde. Meine Mädchen können tun, was sie wollen. Und diejenigen, die keine Papiere haben – na ja, sollen sie eben nach Hause zurückkehren, sich Kinder machen lassen und Ziegen hüten. Inschallah !«
    Chaplain lächelte. Sie warf ihre Bluse über einen Stuhl und begann sich die Schultern einzucremen. Ihr schwarzer Büstenhalter hatte Mühe, die üppige Fülle zurückzuhalten. Auf ihrer braunen Haut sah man noch die Spuren der Markierungen, die für die Strahlentherapie angebracht worden waren.
    »Was willst du von Medina?«
    »Sie ist am 29. August verschwunden. Wir stehen uns zwar nicht übermäßig nah, aber … Es ist jetzt ein halbes Jahr her, und ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.«
    Sophie musterte Chaplain mit ihren samtigen, mit Kajal umrandeten Augen, die ihn an 1001 Nacht denken ließen. Er betrachtete die Markierungen auf ihrer Haut, die fast wie zarte Hennazeichnungen aussahen. Hier mischten sich der Orient, die Wüste und der Tod.
    Schließlich stand sie auf und warf sich einen weißen Morgenmantel über die Schultern, den sie mit einem Frotteegürtel schloss.
    »Leider weiß ich auch nicht mehr als du.«
    »Hat sie Ihnen auch keine Nachricht hinterlassen?«
    »Nein.«
    Sie verschwand im Bad und drehte den Wasserhahn an der Wanne auf. Erst jetzt bemerkte Chaplain, dass sich noch jemand anders im Zimmer aufhielt. Es war eine kleine, unscheinbare, ohne jede Eleganz gekleidete Frau. Sie saß am Schreibtisch und arbeitete diskret und bescheiden wie eine Sklavin am Computer. Chaplain hielt sie für die Buchhalterin des Unternehmens Barak. Hier wurden nicht nur Koffer gepackt, sondern auch Konten verwaltet und vielleicht geschlossen.
    Sophie kehrte ins Schlafzimmer zurück und wählte ein schwarzseidenes Abendkleid, das sie vorsichtig über das Bett breitete. Nach einem auf Arabisch gegebenen Befehl an ihre Gehilfin kniete sie sich vor einen der offenen Koffer, in dem sich Schuhe befanden.
    »Was auch immer ihr passiert ist«, erklärte sie, während sie ein Paar getigerte Pumps auswählte, »sie ist selbst schuld. Wenn du sie wirklich kennst, weißt du es wahrscheinlich ebenso gut wie ich. Medina ist eine verdammte Idiotin.«
    »Sagt Ihnen sasha.com etwas?«
    »Woher kennst du diesen Namen?«
    »Sie hat davon gesprochen.«
    Sophie zuckte die Schultern und suchte aus einem anderen Koffer einen mit silbernen Buchstaben bestückten Gürtel heraus.
    »Eine merkwürdige Mode«, murmelte sie.
    »Eine Mode?«
    »Einige Mädchen haben sich im vergangenen

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