Der Ursprung des Bösen
offenen Karten zu spielen.
»Ich bin auf der Suche nach Leila.«
»Leila wie?«
»Einfach nur Leila.«
»Kennst du sie?«
»Nein. Aber man hat mir von ihr erzählt.«
Kleopatra lächelte verführerisch.
»Da kommt sie gerade.«
Chaplain wandte den Kopf und sah die Frau hereinkommen, die er bereits auf Sashas Profilseiten bewundert hatte. Ihr abendliches Erscheinungsbild hatte nichts mit dem hübschen Mädchen von der Anschlagtafel zu tun. An ihrem Arm hing eine riesige Chanel-Tasche, und unter einer Winterjacke mit Fellkragen trug sie ein Musselinkleid in frühlingshaftem Weiß. Die jungmädchenhafte Aufmachung kontrastierte heftig mit der sinnlichen Erotik ihres muskulösen Körpers.
»Hallo, Leila, du scheinst Furore zu machen. Der Typ hier hat nach dir gesucht.«
Leila lachte.
»So etwas nennt man eben Klasse, meine Süße.«
Sie lächelte und beugte sich zu Chaplain hinunter. Der verlockende Anblick ihres Dekolletés traf ihn wie ein Faustschlag.
»Was willst du von mir, Kleiner?«, fragte sie und bewegte dabei sanft die Schultern, was ihre Brüste zum Schwingen brachte. »Wer mich sucht, der findet mich«, fügte sie im Flüsterton hinzu und leckte sein Ohrläppchen.
Chaplain schluckte heftig. Zwischen seinen Beinen breitete sich eine brennende Hitze aus. Es war ihm unmöglich, sich ein derart verführerisches Wesen bei einem von Sashas Speed-Datings vorzustellen. Alle Männer hätten Schlange gestanden, um mit Haut und Haaren verspeist zu werden.
»Ich möchte mit dir über Medina sprechen«, sagte Chaplain mit fester Stimme.
Das Lächeln verschwand. Leila richtete sich auf. Chaplain erhob sich aus seinem Sessel und blickte ihr gerade ins Gesicht. Aus der Nähe besehen wirkten ihre dunklen Augenschatten noch beeindruckender. Ein violetter Lidstrich verstärkte die Glut ihrer Iris.
»Wo ist Medina? Was ist mit ihr geschehen?«
»Hau ab. Ich habe nichts mit Medina zu schaffen.«
»Wir suchen uns jetzt ein ruhiges Eckchen, wo wir ungestört miteinander plaudern können.«
»Davon träumst du wohl! Geschissen!«
»Ich habe eine Waffe.«
Sie senkte den Blick auf seinen Hosenlatz.
»O ja, das sehe ich.«
»Ich meine es ernst.«
Die Frau mit dem arabischen Blut warf ihm einen zögernden Blick zu. Ihr provokatives Verhalten war wie weggeblasen. Die anderen Mädchen starrten sie mit großen Augen an.
»Wie bist du hergekommen?«, fragte er im Polizistentonfall.
»In meinem Auto.«
»Wo parkst du?«
»Im Parkhaus François I.«
Ihre Stimme klang rau und trocken. Von ihrer verführerischen Art war nichts geblieben, so als hätte man plötzlich ihre Seele abgeschminkt. Chaplain ließ einen Hundert-Euro-Schein auf den Tisch der Mädchen fallen, ohne Leila aus den Augen zu lassen.
»Die Getränke gehen auf mich.«
Er zeigte auf die Eingangstür.
»Los jetzt.«
D arf ich rauchen?«
»Das Auto gehört dir.«
»Womit soll ich beginnen?«
»Am besten mit dem Anfang – das hätte was!«
Leila saß auf dem Fahrersitz. Sie zündete sich eine Marlboro an und inhalierte tief. Da alle Fenster geschlossen waren, füllte sich der Innenraum schnell mit Rauch.
»Wir sind Freundinnen. Eine ganze Gruppe.«
»Alle im gleichen Beruf?«
Leila wollte lächeln, doch heraus kam nur eine Grimasse.
»Wir sind Schauspielerinnen.«
»Schauspielerinnen, aha.«
»Irgendwoher müssen wir schließlich Geld bekommen. Und etwas für die Karriere tun. Unser eigentliches Ziel ist natürlich die Kunst. Aber hier in Paris ist kein Durchbruch zu schaffen.«
Sie zündete den nächsten Glimmstängel an. Ihre Lippen bibberten über dem Filter. Mit der freien Hand strich sie sich ununterbrochen die seidigen Strümpfe glatt. Chaplain vermied es, den Blick zu senken, um sich nicht von den schwarz umsponnenen Schenkeln verwirren zu lassen.
»Aber ihr habt doch Sophie Barak.«
»Die Muttersau. So nennen wir sie. Sie hat uns zwar ins Geschäft gebracht, aber es war einfach zu schäbig.«
»Und dann habt ihr von sasha.com erfahren.«
Leila antwortete nicht, sondern stieß eine Rauchwolke aus. Für einen kurzen Moment wurde sie wieder die Aufschneiderin aus dem Johnny’s. Nur war sie jetzt zornig. Ihre Augen sahen aus wie zwei Krater, die kurz davorstanden, Feuer zu spucken.
»Wer bist du eigentlich?«
»Ein Opfer dieser ganzen Geschichte. Genau wie Medina. Und wie du.«
»Wir sind keine Opfer.«
»Wie du meinst. Aber gib mir wenigstens die Infos, die ich brauche.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Um Medinas
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