Der Utofant
waren, wie ich zählte, schon zwei Gebäudeteile weiter fortgeschritten. Vermutlich befanden wir uns unter der Kuppel Nummer zwei. Der Antrag bestand aus einem mehrere Meter langen Bogen. Ich hatte schon auf Erden kein Geschick im Ausfüllen von Fragebögen. Brachte ich den Beamten dort einen ausgefüllten Fragebogen, kam ich mir wie ein Schwachsinniger vor, der alles falsch macht. Warum haben Sie diese Spalte nicht ausgefüllt? Hier macht man einen Strich. Steht extra drauf. Keine Rubrik darf unbeschrieben bleiben.
Was sollen wir da draufschreiben, fragte ich Tamama, Schlimmes ahnend. Nichts, sagte sie, das machen die für uns.
Darüber war ich erleichtert, ich dachte schon daran, den Erdenämtern diese Praxis zu empfehlen.
Den nächsten Tag verbrachte der uns empfangende Beamte damit, in unsere Bögen je eine Art von Nummer einzuzeichnen. Wir waren aber wieder einen Gebäudeteil vorangerückt. Ich wurde trotzdem ungeduldig. Wir brauchen nun schon eine Woche, geht es nicht schneller? Schneller, fragte Tamama, was ist das?
Am nächsten Tag wurden wir getrennt, und jeder erhielt auf seinem Bogen einen entsprechenden Vermerk. Beim Abschied merkte ich, Tamama weinte. Werde mir nur nicht luftspringig, sagte sie.
Ich versprach es ihr dreimal. Dann ging sie langsam aus dem Raum. Ich nahm mir vor, die Prozedur geduldig über mich ergehen zu lassen. Der Dorfälteste, fand ich, hatte rasend schnell gearbeitet, als er an nur zwei Tagen die Namen und die Begründung des Antrags hingeschrieben hatte. Das lag wohl daran, daß im Dorf noch produziert wurde, und diese Produktion verlangte einen gewissen Rhythmus. Im Hauptort brachten es die Beamten pro Tag nur auf ein Wort, manchmal nur auf ein Zeichen.
Aber ich nahm mir vor, so zu tun, als spielte Zeit für mich keine Rolle. Ich wollte
auf keinen Fall luftspringig werden. Die ersten Tage empfand ich es als angenehm, gemächlich von einem Gebäudeteil zum anderen zu wandern. Ich hatte eine Erklärung für die zeitlupenhafte Gemessenheit des hiesigen Lebens: eben die stärkere Schwerkraft. Und mittlerweile war bereits ein Drittel meines Antrags mit Zeichen sorgfältig bemalt. Allerdings, mir allein überlassen, vermißte ich bald Tamama. Ob sie schon so weit war wie ich?
7
Ich stellte mir mein weiteres Leben auf Gravitium vor. Es strömte in ruhigen Bewegungen dahin. Ich verglich es auch mit einem großen Rad, das sich unentwegt dreht. Aber es drehte sich vorerst nur in meinem Kopf, denn es gab Tage, an denen ich nicht einen halben Gebäudeteil voranrückte und mit der meterlangen Antragsrolle auf meinem Fahrgestell, das auch zum Schlafen diente, allein lag. Meine Nerven sind jetzt sehr ruhig, dachte ich, ein bißchen zu ruhig vielleicht. Ich malte mir aus, wie ich, natürlich den realen Bedingungen der Schwerkraft entsprechend, den Ablauf der Dinge etwas beschleunigen könnte. Die würden das bestimmt einsehen, denn was sie taten, war augenblicklich total uneffektiv. Genügte zu einer Heirat nicht die einfache Genehmigung des Dorfältesten? Ich konnte es nicht lassen, es dem Beamten bei seinem nächsten Erscheinen vorzuschlagen. Er schien beeindruckt. Er nickte mehrmals, zwar bedächtig, aber er nickte. Vielleicht ist jetzt das Plättchen in ihm gefallen, die Gravitiden kamen mir zwar etwas langsam vor, doch hielt ich sie für einsichtsvolle Wesen. Es mochte lange dauern, bis sie sich zu einer Neuerung entschließen würden. Wenn sie es aber täten, würden sie es feierlich und gründlich tun.
Am nächsten Tag erschien auch gleich ein anderer Beamter und fragte mich, ob ich den Antrag auf Heirat mit Tamama für einige Zeit ruhen lassen wolle, um einen Antrag auf Vereinfachung des Verfahrens aufzusetzen. Ich fragte, für wie lange Zeit? Oh, nur für einige.
Ich überlegte eine Weile, gewissermaßen schon im Gravitidentempo, wenn ich heirate und diese neue Art des Antrags Verfahrens an mir selbst ausprobiere und somit demonstriere, dann habe ich schon etwas für die Welt Gravitium getan. Ich hätte dort das Leben schon verbessert. Ich wäre nicht nur als Fremdling reingeschneit, ich brächte auch was mit. Auf ein paar Tage sollte es dabei nicht ankommen.
Ich hatte mittlerweile mein altes Zeitgefühl verloren, ich wußte nicht mehr, wie lange ich mich schon in dem Gebäude mit den zahllosen Kuppeln aufhielt. Sicher schien mir, daß die Kollegen schon abgeflogen waren. Ja, sagte ich, von mir aus soll der Antrag auf Heirat eine Weile ruhen, und der Beamte entfernte sich
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