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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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zu beweisen suchte, daß Funerologie rückblickend, sammelnd, historisch aufarbeitend wirken müsse, doch nicht fu turologisch . Gedanken über neue Bestattungsformen seien nicht relevant, weil die Bestattung als solche bald nicht mehr relevant sein werde. Der Trend ziele auf Abschaffung des Todes überhaupt. Bald würde es auch keine Bestattungswissenschaft mehr geben. Ottencott hatte anscheinend nicht erwartet, daß seine Kollegen ihm in den Rücken fallen würden. Hatte er seinen Auftritt auf dem Weltkongreß als letzte Möglichkeit gesehen, den Vorschlag, die Aufbewahrung der Reststrukturen dahingeschiedener Erdbewohner auf höheres Niveau zu heben, durchzusetzen? Denn I. A. Nox, der sonst, wie er selbst aussagt, sein Geld in etwas Fortschrittliches steckt, hatte ihm bei der ersten Unterhaltung bedeutet, dahin läuft die Entwicklung nicht. Wahr sei zwar, daß man das Wachstum der herkömmlichen Friedhöfe nicht mehr bewältigen könne, die letzten freien Landstriche der Welt seien durch Tote hoffnungslos zersiedelt, deshalb habe man ja auch die Seebestattung.
    Die Funerologie beweise, sagte Ottencott, daß der Mensch seinen Toten schon immer etwas Besonderes bieten wollte. Sie sollten einen hohen Todesstandard haben. Der komme bei der Seebestattung viel zu kurz. Natürlich, man könne Fahrten zu den Stellen unternehmen, wo man die Urne ins Meer gelassen hat. Man könne besonders aufwendige Kränze dort schwimmen lassen, zum Schluß decke jedoch die graue oder blaue Meeresoberfläche den Todesstandard zu. Der Schleifentext der Kränze, die hier und da noch eine Weile trieben, sei von Vorüberfahrenden nur selten zu entziffern. Auch könne man bei Seegräbern nie nachweisen, ob Angehörige die Toten verlottern lassen.
    Nox sagte, es lasse sich den Listen der Reedereien entnehmen, wer niemals oder selten Trauerfahrten zu den Bestattungsplätzen buche, und es sei möglich, daß den zentral gespeicherten Intimdaten des Bürgers beigefügt wird: Besucht nie die ins Meer versenkte Urne seines Großvaters.
    Jetzt geht es aber darum, sagte Ottencott, daß wir dem Stand unserer Wissenschaft und Technik und unseres materiellen Reichtums entsprechend die neue Bestattungsstufe erklimmen müssen. Seebegräbnisse gibt es, seitdem Menschen seebefahrend tätig sind. Heute können wir aber fliegen. Wo bleibt die adäquate Bestattungsart? Wollen Sie die Verstorbenen aus Düsenjägern werfen lassen?
    Nun, sagte Ottencott, der meinte, Nox könnte sich erwärmen lassen, ähnliches
    gab es auf niederer Stufe schon bei den Wikingern, sie legten den besseren Toten auf ein Schiff, zündeten dieses an und stießen es ins Meer.
    Wir sollten unsere vorläufig noch anfallenden Toten in unbemannte Flugzeuge verfrachten, die wir dann oben explodieren lassen? Da würden wir die Teile überall zusammensuchen und schließlich doch wie üblich bestatten müssen. Nur selten gelingen Explosionen so, daß gar nichts übrigbleibt. Außerdem wären wir nicht sicher, ob dabei nicht noch neue Tote anfallen würden. Wenn wir die dann wieder auf explosive Weise in der Luft bestatten würden, wäre die Erde bald von Totenteilen übersät. Dies läge überhaupt nicht im Sinne der Entwicklung, die ja die Abschaffung des Todes in Bälde vorsieht. Was heißt in Bälde, fragte Ottencott, in drei, fünf, fünfzehn Jahren oder erst ein Jahrhundert später? Es kann bald sein. Sehr bald, mein Freund.
    Dann müssen wir erst recht darum bemüht sein, so schnell wie möglich nachzuweisen, daß wir bestattungsmäßig dem Tod gewachsen waren. Man wird uns dann nicht vorwerfen, wir hätten in der Epoche des Todes kulturell versagt. Es wäre dann historisch aktenkundig, daß in der letzten Phase des Lebens mit dem Tode funerologische Kultur der Erde die höchste Blüte erreichen konnte.
    Meinen Sie etwa, fragte I. A. Nox, wir sollten die zur Zeit noch anfallenden Toten
in den Raum schießen?
Bestattung im All, das meine ich.
    Das könnten sich nur wenige erlauben, sagte Nox, allenfalls wird ein großer Weltboß in Leichen- oder Aschenform dort raufgeschossen werden. Damit es ein Geschäft wird, müßte man Unmengen bedeutender Persönlichkeiten entwickeln, und das in kurzer Frist. Das wäre teuer und unerfreulich, es könnte geradezu gefährlich werden, wenn sich in kurzer Zeit derartige Persönlichkeiten hier gegenseitig auf die Füße treten und ihre fragwürdigen Aktivitäten entfalten würden. Man könnte sie natürlich zu Schau-Persönlichkeiten aufblasen, die nichts

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