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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna und Günter Braun
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verfusseln wir uns nicht in Kleinigkeiten, doch kam er gegen die technisch-ökonomischen Details nicht an, mit denen die von ihm Herbeigeschleppten Nox’ Zimmer füllten. Er ruckte lebhaft und sank in eine plötzlich entstandene Delle des wabbligen Vielecks.
    I. A. Nox weckte ihn, als die Experten gegangen waren. Wenn es auch praktisch möglich ist, wir werden keinen Interessenten finden, weil die Entwicklung anders zielt.

    Erste Begegnung: Totenschiffe?

    Funerologe Ottencott war aber von dem Wunsch besessen, sich selbst ein Denkmal hinzusetzen. Er glaubte nicht, daß er die Abschaffung des Todes noch erleben würde, er war erst sechsundfünfzig Jahre alt, aber er wollte sichergehen. Er schleppte den Mythologen Simsal in Nox’ Büro, und um noch sicherer zu gehen, den Ideologieexperten Rapp, der die drei Bände »Ideologien aus ihren grauen Anfängen bis in die nähere Zukunft praktisch gesehen« herausgegeben hatte. Es breitete sich in dem Zimmer an diesem Tag ein Duft aus, der einem nahezu antiken Gegenstand entstieg, der sogenannten Tabakspfeife, die Simsal in Betrieb setzte. Er war einer der letzten noch auf der Welt vorhandenen Raucher, womit er auszudrücken angab, sich vor dem Tod in keiner Form zu fürchten. So war die Atmosphäre würzig und schwach neblig. Rapp, dem sie mißbehagte, wedelte Simsais Nebel des öfteren mit der Hand zu Ottencott, der ihn genüßlich einsog. Heute, so sagte Rapp, hält sich die Menschheit hauptsächlich an die Ideologie beziehungsweise wird daran gehalten, daß sie den kosmischen Raum mit Erdenwesen erfüllen soll und wird. Insofern scheint mir fragwürdig, ihn jetzt mit Toten zu erfüllen.
    Das soll vorübergehend sein, erklärte Nox, bis die Entwicklung so gelaufen ist, daß Tote nicht mehr vorkommen.
    Rapp: Die Menschen sollen noch weiter in den Raum vorstoßen, und vor sich sehen sie zunächst mal Tote kreisen, treffen auf Totenschiffe.
    Viele Mythologien, sagte Simsal, leben noch heute von Himmelfahrtsgeschichten, Kollege Rapp. Näher zu Gott, dem höheren Wesen, dem Weltenrichter. Denken Sie bitte an Christi Himmelfahrt, und stellen Sie sich vor, der schön erhaltene beziehungsweise zurechtgemachte einbalsamierte Körper steigt da hinauf. Die Angehörigen können seine Bahn beobachten, besser als es die Jünger Jesu könnten, die, wie es heißt, nur eine Wolke sahen, die ihren Meister aufhob und gen Himmel führte. Auch wenn man mythologisch nicht gebunden ist, wäre noch ein ästhetischer Genuß vorhanden. Der Tote steigt in einer Wolke aus Rauch und Feuer in den Himmel, kreist dort als Pünktchen. Es ließe sich vielleicht so einrichten, daß er zu seinem Todestag alljährlich durch ein Fernrohr beschaubar wird. Dann könnten Erzieher zu den Kindern sagen, da oben fliegt jetzt Opa. Wehe, wenn du nicht artig bist. Oder: Mutter sieht alles. Drohungen wären dann nicht so abstrakt wie die, Gott sähe alles. Rapp sagte, Tote sehen nicht, das wissen die kleinsten Kinder.
    Dieses Gefühl, da oben kreist ein toter Vater, Lehrer, Vorgesetzter. Hier spielen Gefühle eine wichtige Rolle. Wie soll die Menschheit den Raum erobern, wenn sie emotional vernebelt wird?
    Sie wird Gefühle und Nebel brauchen, sagte Simsal, wenn sie da hoch will. Ohne die geht es nicht. Lediglich auf die Technik sich verlassen, das würden heute nur Idioten.

    Rückfahrkarte für Scheintote

    Es traf noch Psychologe Kraus ein. Wenn man auch auf die Abschaffung des Todes orientiere, so sei die Möglichkeit, ständig beobachten zu können, wo sich im All die toten Angehörigen befinden, nützlich. Man würde das Gefühl verlieren, die Toten seien etwas anderes. Das Grauen vor dem Tod, das unterschwellig weiterwirken könnte, wenn es ihn nicht mehr gibt, wird abgebaut. Die heute wieder verbreitete Scheintodpsychose könnte wirksam bekämpft werden, indem man den Bestattungskapseln Systeme einbaut, die der Verständigung mit der Erde dienen, so daß ein Scheintoter die Möglichkeit besäße, sich zu erholen und zurückzukehren. Auch könnte man Fernsehsysteme einbauen und ständig Sichtkontakt mit den verstorbenen Angehörigen unterhalten. Man könnte sie vielleicht so konservieren, daß eine Wiedererweckung nicht ausgeschlossen scheint. Dieser Aspekt gefiel dem potentiellen Investitor I. A. Nox. Aber wir brauchen einen, der das Beispiel gibt.

    Einmal muß Schluß sein

    Da es eine berühmte, integre, trotzdem erfolgreiche, der Erdgesellschaft zumindest moralisch genützt habende Persönlichkeit sein

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