Der Väter Fluch
so genau wissen, dass dies hier der fragliche Kelch ist? Es könnte hunderte wie ihn geben.«
»Möchten Sie Beweise dafür, dass der Kelch in die Synagoge gehört? Das lässt sich machen. Vielleicht kann ich sogar noch die Originalquittung auftreiben. Aber eines möchte ich in Ihrem eigenen Interesse anfügen, nur für den Fall, dass Ihr Klient seine Geschichte ändert. Dieser Kelch ist kein Familienerbstück. Wir haben ihn vor einem Jahr gekauft, als die Synagoge damit begann, nach dem Gebet regelmäßige Kidduschim abzuhalten.«
»Was sind Kidduschim?«, fragte Jaime Dahl.
»Horsd'ceuvres nach den Sabbatgebeten. Bevor Sie essen, müssen Sie mit Wein einen Segensspruch ausbringen. Daher der silberne Kelch.« Plötzlich wurde Decker bewusst, dass er im Augenblick der Experte für das Judentum war - eine Position, die normalerweise Rina innehatte. Es berührte ihn eigenartig.
»Sie wissen eine Menge über die bewusste Synagoge«, meinte Melrose. »Darf ich fragen, ob Sie Mitglied dieser Gemeinde sind?«
»Sie dürfen fragen, Herr Rechtsanwalt, und ich werde Ihnen die Frage sogar beantworten. Ja, ich bin Mitglied dieser Gemeinde.«
»Also dürften Sie wohl kaum unvoreingenommen an diese Untersuchung herangehen.«
»Das mag sein. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich diesen Kelch als gestohlen identifizieren kann.«
»Nichts davon wird vor Gericht standhalten«, schnaubte Melrose. »Es war eine illegale Durchsuchung, die unter falschem Vorwand durchgeführt wurde. Sie haben den Schülern erzählt, es würde sich um eine Routinekontrolle handeln.«
Carter erhob sich. »Übersehen wir hier nicht, worum es eigentlich geht? Was hast du mit einem Kelch aus einer verwüsteten Synagoge gemacht, Ernesto?«
»Jetzt ist nicht der richtige Augenblick, um darüber zu sprechen«, meinte Melrose. »Das Ganze ist ein Missverständnis«, sagte Jill. »Unser Sohn würde nie etwas mit einem...«
»Werden Sie den Jungen festnehmen?«, fragte Melrose. »Ja oder nein?«
Decker lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er richtete seine Worte an den Jungen: »Ernesto, das hier wird sich nicht unter den Tisch kehren lassen. Ich werde in Erfahrung bringen, was passiert ist, und wenn du darin verwickelt bist, wird es herauskommen. Wir können die Angelegenheit hier und jetzt ohne Probleme regeln, oder irgendeiner deiner Freunde wird dich ans Messer liefern. Entscheide dich!«
»Ernie, was wird hier gespielt?«, fragte seine Mutter.
»Nichts, Mom«, antwortete Ernesto. Sein Atmen war jetzt deutlich zu hören. »Er versucht nur, dir Angst einzujagen. Er ist Teil einer unmenschlichen Organisation. Die Polizei lügt ständig. Man darf ihnen nie trauen. Das hast du mir selbst oft genug gesagt.«
Decker beobachtete, wie Jill Golding die Röte ins Gesicht stieg. »Ernesto«, sagte er, »wenn du mir alles erzählst, werde ich beim Richter ein gutes Wort für dich einlegen. Das Schlimmste, was dir dann blüht, ist gemeinnützige Arbeit. Und was noch wichtiger ist - wenn du kooperierst, werde ich versuchen, dafür zu sorgen, dass man deine Akte versiegelt, obwohl du schon fast achtzehn bist. Auf diese Weise werden die Eliteunis im Osten nie etwas davon erfahren.«
»Ich glaube kein Wort von dem, was Sie da erzählen«, erwiderte Ernesto. »Bullen sind pathologische Lügner.«
Decker hob die Augenbrauen. »Na gut, mein Junge. Ganz wie du willst. Dann werde ich mich dafür einsetzen, dass man dich wie einen Erwachsenen behandelt.«
Ernesto stand auf. »Sie werden mich nicht einschüchtern! Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Er stampfte aus dem Raum und schlug die Tür hinter sich zu. Seine Mutter verließ als Nächste das Zimmer. Der Vater wartete eine Sekunde, fluchte dann leise und lief hinter den beiden her. Einen Augenblick lang hörte man nur das Ticken der Uhr. Dann sagte Decker: »Wollen Sie ihn zurückholen, Mr. Melrose, oder soll ich die Handschellen herausholen?«
»Ich gehe schon.« Melrose verschwand.
Wieder trat Stille im Raum ein, bis Jaime Dahl das Schweigen brach: »Ich kann es einfach nicht fassen! Ausgerechnet er!« Sie sah Decker prüfend an. »Sie müssen immer noch einige der Jungen kontrollieren. Wollen Sie, dass ich das übernehme?«
»Ich mache weiter, sobald ich mit Ernesto fertig bin. Ich brauche eine Liste seiner Freunde...«
»Ich glaube nicht, dass Sie die von mir bekommen, Lieutenant«, antwortete Jaime. »Spitzeldienste gehören nicht zu meinen Aufgaben.«
»Spitzeldienste?«
»Es ist eine
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