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Der Väter Fluch

Der Väter Fluch

Titel: Der Väter Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Behandlungsmethode namens Naturtherapie, bei der es darum ging, eins mit der Natur und dem Land zu werden - eine Kombination aus intensiver Gruppenarbeit in der Wildnis und Einzeltherapiegesprächen. Da die Artikel nur so von Psychologiejargon strotzten, den Decker nicht verstand, machte er sich ein paar Notizen. Er war sich nicht sicher, was es bedeutete »eins mit dem Land zu werden«, aber für ihn klang das verdammt nach Camping.
    Die Baldwins besaßen mehrere Dependancen, aber ihr Hauptwohnsitz befand sich in Beverly Hills; die genaue Adresse erhielt Decker von Golding, bevor er ging. Wanda hatte mehrere Bilder von den Psychologen aus dem Internet heruntergeladen, die sich jedoch nicht gut reproduzieren ließen. Anhand der Fotografie war Merv Baldwin kahl, aber teuer gekleidet und ungefähr Anfang fünfzig - also etwa zehn Jahre älter als seine Frau Dee, die äußerst gepflegt wirkte und so steif war wie ihre kunstvolle Frisur.
    Auf Grund von Straßenarbeiten war der Verkehr auf dem Highway besonders dicht. Decker fuhr am Sunset Boulevard nach Osten ab und durch Westwood hindurch bis in das exklusive Wohnviertel von Beverly Hills. Auch den kurvenreichen Boulevard hatte man wegen Bauarbeiten auf zwei Spuren verengt, und dank heftiger Regenfälle war der Asphalt mit einer dünnen Schmierschicht bedeckt und sehr rutschig, was den Verkehrsfluss fast zum Erliegen brachte. Los Angeles war zu keiner Zeit auf Regen vorbereitet, und wenn er dann tatsächlich einmal kam, fuhren seine Einwohner wie Anfänger, entweder zu langsam oder zu schnell.
    Decker bog nach links in den Roxbury Drive und folgte der Straße, bis sie zu einer Einbahnstraße in die Gegenrichtung wurde. Er lenkte den Wagen durch die Menge der Kauflustigen und Touristen, bis er schließlich wieder der Verkehrsordnung gemäß weiterfahren konnte. Das Problem war nur, dass sämtliche Parkplätze am Straßenrand als auch auf den öffentlichen Parkflächen belegt waren. Als er endlich doch einen Platz gefunden hatte, wo er den Wagen stehen lassen konnte, war er bereits zehn Minuten zu spät.
    Aber offensichtlich spielte das keine Rolle, denn die Baldwins ließen ihn ihrerseits warten. Decker hatte nicht angenommen, dass sie ihn mit offenen Armen empfangen würden, aber dass sie ihn so lange schmoren ließen, war nicht Teil seines Plans. Er wollte gerade gehen, als die Tür aufgerissen wurde und eine junge afroamerikanische Frau, die sich selbst als Maryam Estes vorstellte, Decker um Entschuldigung für die Verspätung bat. Hübsch und mit atemberaubenden Kurven ausgestattet, ging sie hüftenschwingend vor Decker zu einer Suite mit einer sehr niedrigen Decke. Die Suite war sehr geräumig und im Stil von Frank Lloyd Wright gehalten - mit zahlreichen Holzeinbauten, einem Konferenztisch und einem Doppelschreibtisch aus poliertem Nussbaumholz. Die beiden Sofas waren aus Lattenrosten konstruiert und mit dutzenden farblich abgestimmter Kissen bedeckt. An den Wänden hingen üppige Blumenstillleben, und im Kamin brannte ein Feuer.
    Auch wenn die Umgebung jetzt exklusiver war, hatte Decker nicht vor, noch länger zu warten. Er wollte gerade seinem Unmut Luft machen, als eine Frau hereinkam, seine Hand mit beiden Händen umfasste und sich als Dee Baldwin vorstellte. Sie sah noch jünger aus als auf dem Foto und musste etwa Ende dreißig sein. Doch auch jetzt trug sie diese sorgfältig arrangierte Frisur, die in freier Wildbahn nicht lange halten würde. Sie hatte ein rundes Gesicht, kupferbraune Augen und weiße Zähne, wodurch sie entfernt an eine Löwin erinnerte. Insgesamt wirkte sie jedoch sehr zierlich, wenn man von ihren breiten Schultern absah, die durch Polster im Jackett ihres schwarzen Hosenanzugs noch betont wurden. An ihren Ohrläppchen baumelten Goldohrringe, und auch um ihren Hals glänzte es golden. Ihr leichtes, luftiges Parfüm erfüllte den Raum.
    »Es tut mir schrecklich Leid, dass Sie warten mussten.« Ein entschuldigendes Lächeln. »Eine unvorhergesehene Krisensituation... noch schlimmer als bei Ernesto Golding. Dieser Junge hier steckt wirklich in Schwierigkeiten. Merv kümmert sich noch um die Eltern, aber er wird gleich hier sein. Ich weiß, Sie sind ein viel beschäftigter Mann, daher schlage ich vor, dass wir schon einmal ohne ihn anfangen.«
    Dee ließ sich Decker gegenüber auf einem Stuhl nieder.
    »Es war sehr freundlich von Ihnen, direkt zu uns zu kommen. Zumal Ihre persönlichen Gefühle für Ernesto ziemlich gemischt sein

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