Der Väter Fluch
Interessen am Herzen liegen.«
Dieser manipulative kleine Mistkerl. »Auch ich würde es begrüßen, wenn alles gut ausginge. Aber mein Beruf steht in direktem Gegensatz zu dem, was Sie von mir verlangen.«
Carter strich sich über den Bart. »Wie wäre denn folgender Vorschlag: Sie stimmen zu, mit Dr. Baldwin zu reden, und wir lassen Sie mit Ernesto sprechen und ihm... ein paar Fragen stellen.«
Eine ganze Bande von manipulativen Mistkerlen.
Jill schaltete sich ein. »Ernesto scheint Ihnen zu vertrauen. Er möchte wirklich Ihre Meinung hören.«
»Ich kann ihm keine Meinung bieten. Ich verstehe nichts von Therapeuten oder Psychologie.«
»Aber bestimmt haben Sie in Ihrem Beruf schon mit diversen Therapeuten zu tun gehabt«, sagte Carter. »Sie können nicht ohne irgendeine Form von Stressbewältigung tagaus, tagein mit verzweifelten Menschen umgehen.«
»Der letzte Therapeut, mit dem ich gesprochen habe, war auf Kinder- und Jugendpsychologie spezialisiert«, erwiderte Decker.
»Tatsächlich?«, rief Jill. »Wie hieß er denn? Ich bin mir sicher, dass ich ihn kenne.«
»Jill, auch das geht jetzt wieder ein wenig zu weit.«
»Woher sollten Sie ihn kennen?«, fragte Decker.
»Weil ich eine Zulassung als Ehe- und Familienberaterin habe«, erklärte Jill. »Ich dachte, Sie wüssten das.«
»Nein, das wusste ich nicht.«
»Ich dachte, die Polizei würde alles über einen Verdächtigen in Erfahrung bringen«, sagte Carter.
»Wie bitte?«, fragte Decker. »So weit mir bekannt ist, stehen Sie beide noch nicht auf der Verdächtigenliste.«
»Ich meine, die Familie eines Verdächtigen. Sie wollen doch wohl nicht sagen, dass wir nicht unter einem gewissen Verdachtsmoment...«
»Carter, das können wir später noch klären«, unterbrach Jill ihren Mann. »Wie heißt der Arzt? Ich meine, der Kinderpsychologe?«
»Fällt das nicht unter vertrauliche Informationen, Jill?«, wollte Carter wissen.
»Oh, ich glaube, da hast du Recht.« Sie nickte ernst. »Es tut mir Leid. Sie schienen uns gegenüber so offen, dass ich ein wenig zu weit gegangen bin. Wie dem auch sei - für Ernesto ist es wichtig, dass Sie mit dem Therapeuten sprechen. Und mich persönlich interessiert Ihre Meinung ebenfalls. Wir alle wollen doch nur Ernesto helfen. Sie doch auch, oder?«
»Wenn Sie uns helfen, Lieutenant«, sagte Carter, »bin ich mir sicher, dass wir bezüglich Everett etwas arrangieren können. Wenn er sieht, wie sehr Ihnen Ernestos Wohlergehen am Herzen liegt, wüsste ich keinen Grund, warum er Sie nicht mit ihm reden lassen sollte.«
»Und letztendlich ist es ja unsere Entscheidung«, fügte Jill hinzu, »ob wir Ihnen erlauben, mit Ernesto zu reden.«
»Also - eine Hand wäscht die andere. Ist es das, was Sie meinen?«
Sie errötete. »Ich sagte lediglich, dass es unsere Entscheidung ist. Sie sehen doch sicherlich auch, dass Ernesto kein Krimineller ist.«
Decker konnte nichts dergleichen sehen. Er hatte jetzt eigentlich eine halbe Stunde Mittagspause und wollte das von Rina eingepackte Rauchfleischsandwich mit Senf, Majo, Sauerkraut und Gewürzgurken vertilgen - aber was sprach dagegen, sich seine Verdauungsstörungen von etwas anderem als Essen zu holen?
12
Außer von Vandalismus wurde die Stadt auch von Verbrechen anderer Art heimgesucht: Vergewaltigungen, Überfällen, Autodiebstählen und diversen Einbruchsdelikten. Decker dachte darüber nach, ob es sinnvoll wäre, wertvolle Zeit mit der Befragung eines Psychiaterehepaars zu verbringen, auch wenn das für Ernesto eine Chance bedeutete. Andererseits: Warum sollte er nicht wenigstens versuchen, das Kind anderer Leute zu verstehen, wenn ihm schon sein eigener Stiefsohn Rätsel aufgab?
Wanda hatte im Internet eine ganze Menge Informationen über Mervin Baldwin und seine Frau Dee, ebenfalls Psychologin, gefunden. Sie waren von diversen hochkarätigen Zeitschriften interviewt worden und hatten eine Titelstory in Psychologie heute gehabt. Darüber hinaus fanden sich mehrere »intime« Reportagen über das Paar in den Magazinen sowohl regionaler als auch nationaler Psychologenorganisationen. Außerdem hatten die Baldwins selbst etwa ein Dutzend Zeitschriftenartikel verfasst, von denen die meisten das Thema »Auflehnendes Verhalten bei Jugendlichen« behandelten. Nach Lektüre der Zusammenfassung schloss Decker, dass Merv Baldwin sich auf die Arbeit mit schwierigen Jugendlichen spezialisiert hatte.
Einige Essays beschäftigten sich auch mit Baldwins eigener neuer
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