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Der Vampir

Der Vampir

Titel: Der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Schulter. Sie war fast ohne jedes Gewicht, wie ein kleiner
Vogel, der sich auf den Abflug vorbereitet. »Der Schwarze Ritter bittere Rache
nahm, auf heimlichen Flügeln der Tod herankam«, zitierte er. » Vergiß das nicht, Bastard !«
    »Warum ?« wimmerte ich beinahe.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er,
und ich hätte ihm im Augenblick am liebsten den Schädel eingeschlagen. »Aber du
wirst es wahrscheinlich herausfinden. Nun geh — es ist Zeit !«
    Ich wollte mich auf weitere
Erörterungen einlassen, aber über sein Gesicht glitt wieder wie eine Jalousie
der leere Ausdruck, und er schob erneut den Daumen in den Mund. Also überlegte
ich, daß es sinnlos sei, hier herumzulungern, und alles andere besser wäre, als
in das Schloß zurückzukehren, wo »er« wahrscheinlich im Augenblick seinen
Geruchssinn über meiner Schweißspur auffrischte. Ich ging, die Kerze vor mir
haltend, den Gang entlang und fragte mich, welcher Irre wohl den Ausdruck » Merry old England« erfunden haben
mochte.
    Der Boden senkte sich
fortwährend unter meinen Füßen, bis er schließlich, am tiefsten Punkt
angelangt, eben wurde; und ich stellte fest, daß ich in einer schleimigen Masse
watete, während der unaussprechliche Gestank in meiner Nase das Unmögliche
fertigbrachte — er wurde noch schlimmer. Das Getröpfel von der Decke wurde ständig stärker. Und ich hatte die beglückende Vision einer
plötzlich herabstürzenden Decke und meines Ertrinkungstodes in dem
abgestandenen Wasser des Schloßgrabens über mir. Aber
dann ging es wieder aufwärts, und je höher ich kam, desto trockener wurde es;
und meine Nerven hörten auf, aus einem Gefühl entsetzlicher Klaustrophobie
heraus zu zucken.
    Eine in der ungefähren Form
einer Tür aus dem Felsen herausgehauene Öffnung lag vor mir. Als ich
hindurchtrat, erhob sich ein ungeheures Geflatter , was meine Kerze veranlaßte, erst zu flackern und
dann auszugehen. Ich blickte instinktiv auf und sah hoch über mir den vom
Mondschein erhellten Himmel, bevor er durch die Körper und Flügel der
Fledermäuse, die ich aufgescheucht hatte, verdeckt wurde. Ich lauschte eine
Weile auf den wahnsinnigen Rhythmus meines klopfenden Herzens, bis meine Hände
wieder ausreichend ruhig geworden waren, um nach einem Streichholz zu suchen
und die Kerze wieder anzuzünden.
    Als die wundervolle, schöne
Flamme wieder brannte, stellte ich fest, daß ich mich am Fuß der Turmruine befand,
aber an der Innenseite. Eine Wendeltreppe zog sich an den Wänden um mich herum
empor, bis zu dem, was von den Zinnen noch übriggeblieben war; und mir
gegenüber befand sich eine Tür, die vermutlich zum Hof hinausführte. Als ich
näher hinblickte, erwies sich allerdings, daß sie wahrscheinlich in den letzten
zwanzig, wenn nicht hundert Jahren nicht geöffnet worden war. Fünf horizontal
angebrachte Eisenstangen, die an beiden Seiten mit eisernen Spitzen abgesichert
und tief in das Mauerwerk getrieben waren, ließen das Öffnen als Angelegenheit
einer Abbruchsmannschaft erscheinen.
    Damit blieb mir eine in
gewisser Weise interessante Entscheidung übrig: entweder kehrte ich durch den
Gang ins Schloß und in die Arme von »ihm« zurück oder ich stieg die Treppe zum
Wachtturm empor, um dort schließlich mutterseelenallein Hungers zu sterben.
Aber alles war einem Gegenübertreten von »ihm« vorzuziehen, entschied ich, ohne
auch nur nachdenken zu müssen. Also begann ich, langsam die Treppe
emporzusteigen, denn es bestand kein Grund zur Eile — der Hungertod ließ sich
ohnehin Zeit.
    Ein offener Torbogen führte zu
den Zinnen hinaus, und ich blies die Kerze aus, als ich sie erreicht hatte,
denn der Vollmond tauchte alles in starkes weißes Licht. Dann ging ich
vorsichtig zum Rand der brüchigen Brüstung und blickte hinab. Unter mir lag
alles in Miniaturform ausgebreitet, und von dieser Höhe aus wirkte selbst das
Schloß klein und geduckt, wenn auch nach wie vor finster und abweisend. Nach
einer Weile wurde ich des Anblicks müde und begab mich auf einen Spaziergang.
Den größten Teil des Raumes nahm die Turmspitze in Anspruch, aber zwischen
Außenmauer und Zinnen lief ein etwa eineinviertel Meter breiter Rundgang. Es dauerte etwa fünfzehn Sekunden, bis man um das Ding
herumgegangen war, aber ich wanderte weiter, nur um etwas zu tun.
    Bei der dritten Runde bemerkte
ich, daß an einer Stelle der Zinnenkranz offensichtlich unterbrochen war. Statt der üblichen in regelmäßigen Abständen
aneinandergereihten Zinnen und

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