Der Vampyr
Worte bereiteten ihm sichtliches Unbehagen.
»Sie sind sehr erschrocken und zornig, und es sind einfache Leute.
Sie werden einen Schuldigen suchen.«
»Du meinst, es wäre besser, wenn wir gleich morgen verschwinden«, sagte Andrej.
»Ihr habt nach Pferden gefragt«, sagte der Wirt, statt direkt zu antworten.
»Ich habe drei Tiere, die ich euch überlassen kann. Sie sind alt und nicht besonders gut zum Reiten geeignet, aber sie können euch nach Tandarei bringen, einen Tagesritt von hier entfernt. Ich ,, gebe euch den Namen meines Bruders. Er hat einen “‘ Stall dort. Bei ihm könnt ihr gute Pferde kaufen. Er wird euch einen fairen Preis machen, wenn er hört, das ich euch schicke.«
»Du vertraust uns einfach so drei Pferde an?«, fragte Abu Dun.
»Das ist ziemlich leichtsinnig.«
»Es sind alte Klepper«, antwortete der Wirt.
»Ihr könnt froh sein, wenn sie bis Tandarei durchhalten. Zahlt mir dasselbe, was mir der Schlachter geben würde. Mein Bruder wird euch den Betrag anrechnen.«
»Das ist ein faires Angebot, meine ich.« Abu Dun stand auf.
»Es sei denn, bei euch werden alte Klepper in Gold aufgewogen.«
Der Wirt blieb ernst.
»Gute Nacht, die Herren«, sagte er. Andrej wartete, bis er verschwunden war, dann trank er noch einen letzten Schluck Bier und stand ebenfalls auf.
»Er kann uns gar nicht schnell genug loswerden, wie?«
»Ich glaube, er meint es ernst«, antwortete Abu Dun.
»Denkst du an dasselbe wie ich?«
»Das weiß ich nicht«, log Andrej.
»Woran denkst du denn?«
»An den Hasen.«
»Das mag Zufall sein«, sagte Andrej.
»Vielleicht wirklich ein Raubtier, das sein Unwesen hier treibt.« Er hob die Schultern.
»Wer weiß, vielleicht tragen wir wirklich einen Teil der Schuld, weißt du? Vielleicht haben wir das Raubtier ohne Absicht hierher geführt.«
»Vielleicht ist es ja bei uns«, sagte Abu Dun.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Andrej scharf.
»Nichts«, antwortete Abu Dun.
»Es war … nur so eine Idee. Eine dumme Idee. Verzeih.« Er machte eine Kopfbewegung zur Treppe.
»Geh nach oben und leg dich schlafen.«
»Und du?«
»Ich schlafe bei den Pferden. Auf diese Weise kann ich sie mir auch gleich ansehen und mich überzeugen, ob die Klepper in der Lage sind, uns bis nach Tandarei zu bringen.« Er verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Andrej ging nach oben und betrat das Zimmer, das er für Frederic und sich - und eigentlich auch Abu Dun gemietet hatte. Es war dunkel. Das einzige schmale Fenster war geschlossen aber es war überraschend kalt. Andrej schloss die Tür hinter sich, so leise er konnte und blieb stehen, damit sich seine Augen an die herrschende Dunkelheit gewöhnen konnten. Das Zimmer war groß, aber bis auf die drei schmalen Betten und eine grob gezimmerte Truhe vollkommen leer. Frederic lag komplett angezogen auf dem mittleren dieser drei Betten und schlief. Aber schlief er wirklich? Andrej sah noch einmal zum Fenster und trat dann lautlos an Frederics Bett heran. Der Junge hatte sich auf die Seite gerollt. Seine Augen waren fest geschlossen und seine Atemzüge waren flach und gleichmäßig. Andrej streckte die Hand nach ihm aus, zog sie dann aber wieder zurück, ohne ihn zu berühren.
Frederic schlief zweifellos.
7
Sie brachen am nächsten Tag im Morgengrauen auf. Der Abschied war kurz und kühl. Der Wirt machte jetzt keinen Hehl mehr daraus, das er die drei Fremden lieber gehen als kommen sah, und mehrere Dorfbewohner hatten sich bereits am Tor versammelt; vermutlich, um nach Spuren zu suchen, wie es der Dunkelhaarige am vergangenen Abend vorgeschlagen hatte. Andrej behielt Frederic unauffällig im Auge, während sie an dem halben Dutzend Männer vorüberrit-ten. Der Junge wirkte müde und er betrachtete die kleine Versamm-lung mit einer Mischung aus kindlicher Neugier und Verwirrung.
Andrej hatte ihm nicht erzählt, was passiert war. Die Pferde waren tatsächlich nicht viel mehr als heruntergekommene Mähren, die reif für den Abdecker waren. Sie kamen nicht wesentlich schneller voran, als wären sie zu Fuß unterwegs, aber doch um einiges bequemer. Spät am Nachmittag erreichten sie Tandarei und fragten sich zum Besitzer des Stalles durch, dessen Namen ihnen der Wirt gegeben hatte. Sie bekamen neue Pferde, und als der Mann erfuhr, wer sie geschickt hatte, wies er ihnen auch den Weg zu einem einfachen Gasthaus, in dem Fremde willkommen waren und wo keine neugie-rigen Fragen gestellt wurden. Am nächsten Morgen ritten sie
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