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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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denen vielleicht jede einzelne über Leben und Tod entscheiden konnte. Und sie brauchten Pferde. Andrej wußte, das sie diese Fragen nicht unvermittelt stellen konnten. Die Menschen in dieser einsamen Gegend waren begierig auf Neuigkeiten, aber sie hassten es, wenn jemand selbst zu viele neugierige Fragen stellte.

    Und allein die wehrhafte Palisadenwand, die den ganzen Ort umgab, machte deutlich, das sie einen Grund hatten, Fremden gegen-
    über misstrauisch zu sein. Abu Dun erwies sich jedoch als überraschend geschickt darin, ein Gespräch in Gang zu bringen. Am Anfang waren sie noch allein. Zweifellos erfüllte schon der Anblick alles Fremden die Menschen mit Furcht, aber Abu Dun lachte laut und viel, gab dem Wirt Anweisung, an jeden Tisch einen Krug Bier auf seine Kosten zu bringen, und schließlich siegte die Neugier.
    Nach einer Weile hatten sich fast ein Dutzend Männer an ihrem Tisch versammelt, die auf ihre Kosten tranken, den Geschichten lauschten, die Abu Dun zum Besten gab - und die zweifellos alle ausgedacht, aber sehr kurzweilig waren - und ihnen dabei nach und nach alle Informationen gaben, die sie brauchten. Andrej hielt sich die meiste Zeit zurück, aber er kam nicht umhin, Abu Duns Geschick im Umgang mit Worten mehr und mehr zu bewundern. Der Muselman verstand es ausgezeichnet, das Misstrauen der Dörfler nicht nur zu zerstreuen, sondern auch eine Stimmung zu erzeugen, in der sie mehr von sich aus zu erzählen begannen. Geraume Zeit nachdem Frederic sich zurückgezogen hatte, hätte man meinen können, eine Runde guter alter Freunde säße zusammen und lausche den Erzählungen eines der ihren, der von einer langen, aben-teuerlichen Reise zurückgekehrt war. Es mußte auf Mitternacht zugehen, als draußen auf der Straße Lärm aufkam. Andrej glaubte einen Schrei zu hören, aufgeregte Rufe und Schritte. Er sah irritiert zur Tür und auch einige der anderen blickten in die gleiche Richtung. Zwei Männer standen auf und verließen das Gasthaus und auch Andrej wollte schon aufstehen, ließ sich aber dann sofort wieder zurücksinken, als er einen warnenden Blick aus Abu Duns nachtschwarzen Augen auffing; und ein kaum sichtbares, angedeutetes Kopfschütteln. Natürlich hatte der Muselman recht: Was immer dort draußen geschah, ging sie nichts an. Abu Dun hob seinen Becher und winkte dem Wirt damit zu, der eine neue Runde brachte, und es gelang ihm tatsächlich, das für einen Moment ins Stocken geratene Gespräch noch einmal in Gang zu bringen, wenn die Stimmung auch nicht mehr ganz so gelöst war wie zuvor. Die Männer, die bei ihnen am Tisch saßen, blickten immer wieder unruhig zur Tür, hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, Abu Duns faszinierenden Geschichten zu lauschen, und der Neugier, zu erfahren, was sich dort draußen abspielte. Zumindest war es kein überraschender Angriff der Türken, dachte Andrej in dem vergeblichen Versuch, sich selbst zu beruhigen. Der Lärm war fast ganz verstummt. Weit entfernt glaubte er eine Frau weinen zu hören, aber nicht einmal dessen war er sich ganz sicher. Die Tür flog auf und einer der Zecher kam zurück, ein großer, ausgemergelter Mann mit schulterlangem schwarzem Haar, der gerade noch am Tisch gesessen und besonders ausgiebig und lang über Abu Duns Anekdoten gelacht hatte. Jetzt war er leichenblass. Seine Hände zitterten und in seinen Augen stand ein Flackern, als wäre er dem Leibhaftigen selbst begegnet.
    »Was ist passiert?«, fragte einer der Männer am Tisch.
    »Miroslav«, antwortete der Dunkelhaarige. Auch seine Stimme bebte.
    »Sie haben … Miroslavs Tochter gefunden.« Er schloss die Tür hinter sich, kam mit unsicheren Schritten näher und griff nach dem erstbesten Becher auf dem Tisch, um ihn mit einem einzigen Zug zu leeren. Bier lief an seinem Kinn herab und tropfte auf sein Hemd, aber er schien es nicht einmal zu merken.
    »Was ist mit ihr? Erzähle!« Der Mann stellte den Becher zurück und sah sich auf eine Art um, als hätte er Mühe, die Gesichter der An-wesenden einzuordnen. Ganz besonders lang starrte er Abu Dun an, wie es Andrej vorkam.
    »Tot«, sagte er schließlich.
    »Sie ist tot.« Einen Atemzug lang war es vollkommen still, doch dann brach ein regelrechter Tumult los. Die Männer schrien durch-einander und sprangen von ihren Stühlen hoch. Einige rannten aus dem Haus und alle redeten gleichzeitig, bis der Mann, der den Dunkelhaarigen schon vorhin angesprochen hatte, mit einem scharfen Ruf für Ruhe sorgte.
    »Erzähl!«

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