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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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knapp.« Warum tat er es nicht? Andrej war ganz und gar nicht sicher, das er tatsächlich in der Lage gewesen wäre, den gut bewaffneten und gepanzerten Drachenritter in so kurzer Zeit zu überwältigen. Selbstverständlich würde die Torwache sofort Alarm schlagen; die Männer blickten schon jetzt misstrauisch in ihre Richtung. Er ließ einige Augenblicke verstreichen, dann wendete er sein Pferd und ritt auf das Stadttor zu. Unter dem gemauerten Torbogen hielten sie an und stiegen aus den Sätteln. Zwei Männer in Kettenhemden traten ihnen mit langen Spießen entgegen, hielten aber respektvollen Abstand -
    wenn auch eher zu ihrem Herrn als zu Andrej und Abu Dun. Tepesch mußte den Kopf senken, um nicht in dem Torbogen anzu-stoßen, machte aber keine Anstalten abzusteigen, sondern gestikulierte zu den beiden Wachen hin.
    »Bringt die beiden in den Turm«, sagte er.
    »Ich bin gleich zurück und will dann mit ihnen reden.«
    »Turm?«
    »Keine Sorge«, antwortete Dracul.
    »Es klingt schlimmer, als es ist.« Die beiden Wächter führten sie eine steile Treppe hinauf in eine winzige, karg eingerichtete Kammer, die im oberen Stockwerk des massigen Turmes lag. Sie wurden nicht angekettet und auch vor dem schmalen Fenster gab es keine Gitter, aber als die Tür hinter ihnen geschlossen wurde, konnten sie das Geräusch eines schweren Riegels hören, der vorgelegt wurde.
    Darauf achtete Andrej aber kaum. Die Tür war noch nicht ganz geschlossen, da fuhr er herum und fauchte Abu Dun an:
    »Was zum Teufel ist in dich gefahren?«
    »Ich verstehe nicht«, behauptete Abu Dun.
    »Du verstehst ganz genau, wovon ich spreche!« Andrej mußte sich beherrschen, um nicht zu schreien.
    »Was soll dieser Irrsinn? Wieso bist du hier?« Abu Dun ging zum Fenster und beugte sich neugierig hinaus.
    »Das sind gute zehn Meter«, sagte er.
    »Und die Wand ist glatt. Trotzdem könnte man es schaffen.«
    »Abu Dun!«, sagte Andrej scharf.
    »Nur, was würde es nutzen?«, sinnierte Abu Dun.
    »Dort draußen wird es spätestens in zwei Tagen von den Kriegern.
    des Sultans wimmeln.« Er drehte sich herum, lehnte sich neben dem Fenster an die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Wusstest du, das zwei der Krieger entkommen sind?«
    »Welche Krieger?«
    »Türken der Patrouille, die Draculs Männer überfallen haben«, er-klärte der Pirat.
    »Zwei von ihnen sind entkommen, mindestens. Ich würde dort draußen keinen Tag überleben.«

    »Oh«, sagte Andrej.
    »Sie haben gesehen, wie wir Rücken an Rücken gegen ihre Brüder gekämpft haben, Deläny. Ich bin jetzt ein Verräter. Schlimmer als ein Feind. Jeder einzelne Mann des Heeres würde mir ohne zu zö-
    gern die Kehle durchschneiden.«
    »Tepesch wird dich ebenfalls töten«, sagte Andrej.
    »So wie dich«, fügte Abu Dun hinzu.
    »Sobald er hat, was er von dir will.«
    »Ich weiß«, sagte Andrej.
    »Aber ich habe einen Grund, dieses Risiko einzugehen. Frederic.«
    Abu Dun sah ihn auf sonderbare Weise an.
    »Man könnte meinen, er wäre wirklich dein Sohn.«
    »Irgendwie ist er das auch«, murmelte Andrej, »in einem gewissen Sinne.« Er sah sich unschlüssig in der kleinen Kammer um. Es gab kein Bett, aber einen Tisch mit vier niedrigen Schemeln. Er ging hin und setzte sich auf einen davon, ehe er fortfuhr:
    »Auf jeden Fall ist er alles, was ich noch habe.«.
    »Vielleicht ist er mehr, als gut für dich ist«, sagte Abu Dun ernst.
    »Der Junge ist böse, Andrej, begreif das endlich.«
    »Das ist er nicht!«, widersprach Andrej heftig.
    »Er ist jung. Er weiß es nicht besser. Er braucht jemanden, der ihn leitet.«
    »Ich glaube, er hat ihn gefunden«, sagte Abu Dun.
    »Ich weiß nicht, wen ich mehr bedauern soll - Fürst Tepesch oder ihn.«
    »In einem Punkt gebe ich dir Recht«, sagte Andrej.
    »Dracul ist eine Gefahr für ihn. Ich muss ihn aus den Klauen dieses Ungeheuers befreien. So schnell wie möglich.« Abu Dun stieß sich von der Wand ab und kam mit langsamen Schritten näher. Er setzte sich nicht, sondern blieb mit verschränkten Armen auf der anderen Seite des Tisches stehen und sah auf Andrej hinab, und Andrej fragte sich, ob er wohl wußte, wie drohend und einschüchternd er in dieser Pose wirkte.
    »Ist dir schon einmal in den Sinn gekommen, das es Menschen gibt, die einfach böse geboren werden?«, fragte er.
    »Einen davon kenne ich«, sagte Andrej, aber Abu Dun verstand die spitze Bemerkung nicht einmal.
    »Und deshalb hast du dich also entschieden, bei mir zu

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