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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bleiben und auf mich aufzupassen«, fuhr Andrej böse fort.
    »Ich verrate dir ein Geheimnis: Ich brauche keinen Leibwächter.
    Man kann mich nicht verletzen.«
    »Schade«, sagte Abu Dun.
    »Wäre es so, dann würde ich dich jetzt windelweich prügeln. So lange, bis du endlich Vernunft annimmst.« Er atmete hörbar ein, schwieg einen Moment und ließ sich dann auf einen der kleinen Hocker sinken. Das Möbelstück ächzte unter seinem Gewicht.

    »Lass uns aufhören, miteinander zu streiten«, sagte er.
    »Das führt zu nichts.«
    »Ich habe nicht damit angefangen«, behauptete Andrej trotzig. Es klang so sehr nach einem verstockten Kind, das er selbst lachen mußte. Auch Abu Dun lachte leise, aber seine Augen blieben ernst.
    »Uns bleibt nicht viel Zeit«, sagte er nach einer Weile, jetzt aber in versöhnlichem Ton.
    »Ich kenne Selics Pläne nicht, aber ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Im Moment ist es hier noch scheinbar friedlich, aber das ist ein Trugbild. In zwei, spätestens drei Tagen versinkt dieses Land im Chaos. Ich weiß nicht, ob Selic diese Stadt des Eroberns für wert hält. Ich täte es nicht. Aber selbst wenn er Petershausen ungeschoren lässt, werden seine Krieger das Land ringsum beset-zen.«
    »Und?«, fragte Andrej.
    »Noch können wir fliehen«, sagte Abu Dun.
    »Fliehen? Und wohin?«
    »Nach Westen«, antwortete Abu Dun.
    »Waren all deine Racheschwüre nur Gerede? Wir suchen diesen verdammten Inquisitor. Und wenn schon nicht ihn, dann das Mädchen. Oder war auch das nur so dahingesagt?«
    »Welches …« Andrej ballte die Hand zur Faust.
    »Frederic«, murmelte er.
    »Er redet zu viel. Ich habe ein- oder zweimal über sie gesprochen.
    Und ich habe niemals gesagt, das sie mir etwas bedeutet.«
    »Du hättest deine Augen sehen sollen, als die Rede auf Maria kam«, sagte Abu Dun grinsend.
    »Du liebst sie, habe ich Recht?« Andrej schwieg. Er hatte sich diese Frage bisher nicht gestellt. Vielleicht, weil er Angst vor der Antwort hatte. Es war lange her, das er die Frau, der er sein Herz geschenkt hatte, zu Grabe getragen hatte, und er hatte sich damals geschworen, sich dem süßen Gift der Liebe nie wieder hinzugeben. Der Preis war zu hoch. Selbst wenn sie ein Menschenleben währte, der Schmerz über den Verlust dauerte länger, so unendlich viel länger.
    Trotzdem verging kein Tag, an dem er nicht mindestens einmal an Maria dachte. Das Schicksal hatte sich einen besonders grausamen Scherz mit ihm erlaubt. Der Schmerz war bereits da. Er bezahlte den Preis, ohne die Gegenleistung dafür bekommen zu haben.
    »Wenn du ihn nicht jagst, ich tue es auf jeden Fall«, sagte Abu Dun.
    »Der Kerl hat nicht nur deine Familie ausgelöscht. Er hat auch meine Männer getötet und mich betrogen.«
    »Warum gehst du dann nicht ohne mich?«
    »Weil ich es nicht kann«, gestand Abu Dun unumwunden.
    »Araber sind im Augenblick in eurem Land nicht sonderlich beliebt, weißt du? Ich brauche dich. Und du mich.«
    »Dann haben wir ein Problem«, sagte Andrej.

    »Denn ich gehe ohne Frederic hier nicht weg.«
    »Wen liebst du mehr, Deläny?«, fragte Abu Dun.

»Diesen Jungen oder das Mädchen? Weißt du was? Ich glaube, du weißt es selbst nicht. Oder ist es gar keine Liebe? Kann es sein, das du dich nur für etwas bestrafen willst?« Andrej antwortete darauf nicht. Aber für einen Moment hasste er Abu Dun dafür, das er diese Frage gestellt hatte. Vielleicht, weil er tief in sich spürte, das er Recht hatte. Tepesch kam an diesem Tag nicht mehr zu ihnen. Da-für erschienen nach einiger Zeit mehrere Bedienstete, die ihnen Strohsäcke zum Schlafen und eine überraschend reichhaltige Mahlzeit brachten. Alle schienen mit Taubheit geschlagen zu sein, denn sie beantworteten keine ihrer Fragen und reagierten nicht einmal auf ihre Versuche, ein Gespräch zu beginnen. Der Tag ging zu En-de, ohne das sie den Drachenritter oder einen seiner Krieger noch einmal gesehen hatten. Auch am nächsten Morgen blieben sie allein. Sie durften ihr Quartier zwar nicht verlassen, aber da das einzige Fenster unmittelbar über dem Tor lag, blieb ihnen nicht verborgen, das in der Stadt ein reges Kommen und Gehen herrschte. Den ganzen Tag über strebten Menschen in die Stadt, manche einzeln, zu Fuß oder in kleinen Gruppen, andere mit Pferdekarren oder Ochsen, auf die sie ihre hastig zusammengerafften Habseligkeiten gepackt hatten. Dieser Anblick erschreckte Andrej, denn er machte ihm klar, was in der Stadt vorging. Petershausen wappnete

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