Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
angekettet. Tepesch selbst und ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Soldaten hatten ihn hierher gebracht. Er wurde nur grob durch die Tür gestoßen und dann allein gelassen. Nach einer Weile wurde die Klappe in der Tür geöffnet und ein misstrauisch zusammengepresstes Augenpaar sah zu ihm herein. Zwei Männer betraten seine Zelle und hielten ihn mit den Spitzen ihrer langen Speere in Schach, während ein anderer eine reichhaltige Mahlzeit und einen halben Krug Wein brachte.
    Andrej hatte das Gefühl, das es sich nicht um eine Großzügigkeit Tepeschs handelte, sondern um eine Henkersmahlzeit. Seine Aussichten, diese Burg lebend zu verlassen, waren nicht gut. Es war nicht das erste Mal, das er sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befand, aber bisher hatte er sich stets befreien können. Diesmal war es anders. Seine Gegner wussten, wer er war. Vor allem aber wussten sie, was er war und was zu leisten er imstande war.
    Tepesch würde ihn nicht entkommen lassen. Er wunderte sich, das er überhaupt noch lebte. Körber hatte ihn besiegt. Er war besser als er gewesen - und er hätte ihn zweifellos getötet, hätte Vlad - Tepesch! - nicht im letzten Moment in den Kampf eingegriffen. Als er schwere Schritte draußen auf dem Gang hörte, stand er auf und wich auf die andere Seite seiner Zelle zurück, um den Soldaten die Mühe zu ersparen, ihn mit ihren Speeren vor sich her zu treiben.
    Doch es waren nicht seine Kerkermeister. Stattdessen betrat Maria die Zelle. Andrej konnte nichts anderes tun als einfach dazustehen und sie anzustarren. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es war ihm bisher trotz allem gelungen, das Wissen um ihre Nähe zu verdrängen, weil dieser Gedanke zu schmerzhaft gewesen wäre.
    Nun aber war sie da. Sie stand vor ihm, nur noch zwei oder drei Schritte entfernt, so wunderschön, wie er sie in Erinnerung hatte, aber viel zerbrechlicher. Etwas wie eine stille Trauer schien von ihr auszugehen. Nachdem er sie einige Zeit betrachtet hatte, wurde ihm klar, das sie sich auch körperlich verändert hatte. Ihr Gesicht war schmaler geworden. Er sah eine Andeutung derselben dunklen Linien darin, die er auch in dem ihres Bruders Domenicus entdeckt hatte. Sie hatten körperliche Strapazen hinter sich. Der Weg hierher war nicht leicht gewesen. Und wahrscheinlich war sie ihn nicht freiwillig gegangen.

    »Maria …«, begann er.
    »Nein!« Ihre Stimme war leise, brüchig, aber sie klang gleichzeitig so scharf, das er verstummte.
    »Sag nichts. Domenicus weiß nicht, das ich hier bin, und er darf es auch nicht erfahren. Ich habe nicht viel Zeit.« Da war etwas in ihrer Stimme, das ihn erschreckte. Und etwas in ihrem Blick. Er blieb stehen, aber es fiel ihm schwer, sie nicht in die Arme zu schließen, ihre süßen Lippen zu schmecken. Alles, was zwischen Constäntä und jetzt geschehen war, schien nicht mehr da zu sein, als hätte jemand die Zeit dazwischen einfach ausgelöscht.
    »Ist es wahr?«, fragte Maria. Vielleicht waren es Tränen, die er in ihren Augen schimmern sah. Vielleicht auch nicht.
    »Was?«
    »Was Domenicus mir erzählt hat«, antwortete sie mühsam.
    »Das du … ein Hexer bist?«
    »Das hat er gesagt?«
    »Nicht dieses Wort«, antwortete Maria.
    »Aber er hat mir gesagt, das du mit dem Teufel im Bunde bist. Das du schwarze Magie praktizierst und … und das man dich nicht töten kann.«
    »Das glaubst du?« Andrejs Gedanken drehten sich wild im Kreis. Er weigerte sich zu glauben, was er hörte, und er weigerte sich noch viel mehr zu glauben, was er in Marias Augen las. Es war unmöglich. Es durfte nicht sein! Nicht das.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich noch glauben soll«, antwortete Maria.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
    »Und was … hast du gesehen?«, fragte Andrej stockend. Er machte einen halben Schritt auf sie zu und blieb sofort wieder stehen, als er sah, das sie instinktiv vor ihm zurückwich. Wenn es etwas gab, das noch schlimmer war als der Ausdruck in ihrem Blick, dann die Vorstellung, das sie Angst vor ihm haben könnte.
    »Der junge. Frederic. Biehler hat ihn mit einem Messer geschnitten.
    Die Wunde hat sich wieder geschlossen. Vor meinen Augen. Es war Zauberei. Hexenwerk.«
    »Das hat nichts mit Zauberei zu tun«, sagte Andrej, aber Maria hör-te ihn gar nicht.
    »Du bist genauso wie er, nicht wahr?« Marias Augen färbten sich noch dunkler. Etwas in Andrej schien zu zerbrechen, als er begriff, das sie tatsächlich Angst vor ihm hatte. Das war das Schlimmste. Er

Weitere Kostenlose Bücher