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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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heißt tatsächlich so. Das ist einer der Gründe, aus denen ich ihn ausgewählt habe. Menschen hängen an ihren Namen. Manchmal kann ein Zögern von der Dauer eines Lidzuckens über die Glaub-haftigkeit einer Lüge entscheiden.«
    »Du bist ein Lügner«, beharrte Andrej.
    »Warum sollte ich dir trauen?«
    »Weil du gar keine andere Wahl hast«, antwortete Tepesch.
    »Und weil ich dir das Leben gerettet habe.« Wieder wartete er einen Moment vergeblich auf eine Antwort. Er ging zur Tür, sah durch die vergitterte Klappe hinaus und bewegte sich schließlich zum Fenster, alles auf eine Art, die Andrej klarmachte, wie sehr er darauf wartete, das Andrej von sich aus eine Frage stellte. Andrej dachte nicht daran. Er bedauerte es bereits, überhaupt mit ihm gesprochen zu haben. Was für Draculs Doppelgänger galt, das galt für den wirklichen Vlad Tepesch umso mehr: Er war ein Mann, dessen Re-degewandtheit seiner Grausamkeit kaum nachstand. Es war gefährlich, sich mit diesem Mann auf eine Diskussion einzulassen. Dracul hatte die unheimliche Fähigkeit, einen vergessen zu lassen, was für ein Ungeheuer er war. Nach einer Ewigkeit fuhr Tepesch in vollkommen verändertem Ton, leise, fast wie an sich selbst gewandt, fort:

    »Wie lange kennen wir uns, Andrej Deläny? Du glaubst, wenige Ta-ge, habe ich Recht? Aber das stimmt nicht.« Er drehte sich um, schüttelte den Kopf und lehnte sich neben dem Fenster gegen die Wand.
    »Ich kenne dich erst seit wenigen Tagen, aber ich weiß seit langer Zeit, das es Menschen wie dich gibt.« War es Zufall, dachte Andrej verwirrt, das er den Begriff Menschen benutzte - oder auch jetzt wieder nur Berechnung?
    »Und seit ich von euch weiß, bin ich auf der Suche nach euch. Du hast mich als Vlad, den Zigeuner, kennen gelernt, und es ist mehr von ihm in mir, als du vielleicht ahnst. Ich bin ein Herrscher. Ein Krieger wie du, Andrej. Ich beherrsche dieses Land und ich bin der Herr über Leben und Tod all seiner Bewohner. Aber eigentlich ge-höre ich nicht hierher. Mein Leben lang war ich auf der Suche, De-läny. Auf der Suche nach meiner wahren Bestimmung und nach meinem Volk. jetzt habe ich es gefunden.«.
    »Bist du deshalb zu einem solchen Ungeheuer geworden?«, fragte Andrej.
    »Du hältst mich für ein Ungeheuer?« Tepesch wirkte nachdenklich.
    »Ja, ich glaube, viele halten mich dafür. Vlad, den Pfähler - so nennen sie mich, glaube ich.«
    »Das habe ich auch gehört«, sagte Andrej spöttisch.
    »Obwohl ich mir gar nicht vorstellen kann, wieso.«
    »Hast du dich nie gefragt, warum ich das tue?«, fragte Tepesch.
    »Weil du krank bist?«, schlug Andrej vor.
    »Weil Schmerz der Schlüssel ist«, antwortete Tepesch.
    »Vlad, der Zigeuner, hat die Wahrheit gesagt, als er behauptet hat, alles über dein Volk zu wissen, was es zu wissen gibt, Deläny. Es ist der Tod, der einen Menschen zu dem macht, was ihr seid. Tod und Schmerz. Nur, wer die vollkommene Qual kennen gelernt und den Tod berührt hat, kann die Unsterblichkeit erringen.« Andrej starrte sein Gegenüber vollkommen fassungslos an.
    »Das ist …«
    »… die Wahrheit!«, unterbrach ihn Tepesch.
    »Und du weißt es! So wurdest du zu dem, was du bist, und der junge auch. Du wurdest krank und bist gestorben, und Frederic wurde schwer verbrannt, bevor er starb. Ihr beide wart dem Tode so nahe, wie es nur möglich ist. Das ist das Geheimnis! Deshalb erforsche ich den Schmerz! Wann ist ein Mensch dem Tode näher als im Augenblick der höchsten Qual, wenn er sich wünscht, zu sterben, um endlich erlöst zu werden - und sich zugleich noch immer an das Leben klammert, trotz aller Qual, trotz aller Furcht und Verzweiflung? Wann sind Leben und Tod enger beisammen als in diesem Moment?« Andrej war erschüttert. Aus Tepeschs Worten sprach nichts anderes als der blanke Wahnsinn, aber zugleich auch eine grässliche Wahrheit.

    »Wie viele Menschen hast du deshalb zu Tode gequält, du Wahnsinniger?«, fragte er.
    »Welche Rolle spielt das?«, fragte Tepesch.
    »Wie viele Männer hast du getötet, Deläny?«
    »Das ist etwas anderes«, sagte Andrej, aber Tepesch lachte nur.
    Wann hatte es je Sinn gehabt, mit einem Wahnsinnigen zu diskutie-ren?
    »Ach?«, fragte Tepesch.
    »War es das? Natürlich, es ist etwas anderes, es selbst zu tun, und Ausreden und Gründe sind schnell zu finden. Du bist nicht besser als ich, Deläny. Wir beide haben Menschen getötet und es spielt keine Rolle, warum wir es getan haben. Sie sind tot, das allein

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