Der Vampyr
hätte mit dem Gedanken leben können, sie niemals wieder zu sehen. Er hätte vielleicht sogar noch damit leben können, zu wissen, das sie seine Liebe nicht erwiderte. Aber die Vorstellung, das sie ihn fürchten könnte, war unerträglich.
»Ja«, sagte er.
»Aber ich bin nicht …«
»Also ist es wahr. Ihr seid mit dem Teufel im Bunde. «
»Ich weiß nicht, ob es einen Teufel gibt«, antwortete Andrej.
»Aber selbst wenn, haben Frederic und ich nichts mit ihm zu schaffen. Ich könnte dir erklären, was wir sind. Ich hätte es längst tun sollen, aber ich … ich hatte Angst.«.
»Angst?«
»Das genau das passiert, was jetzt passiert ist«, sagte Andrej.
»Das du es nicht verstehen würdest.« Er hob hilflos die Hände.
»Was wir sind, ist so schwer zu erklären. Ich verstehe es ja selbst nicht genau und …« Er brach ab. Er fühlte sich nicht nur hilflos, er klang auch so.
»Maria, bitte«, sagte er verzweifelt.
»Wir haben so wenig Zeit, und ich muss dir so viel sagen.«
»Nein«, antwortete Maria. Das Wort traf ihn wie ein Fausthieb und schlimmer noch war vielleicht das, was sie nicht sagte.
»Ich will nichts mehr hören. Ich habe es gesehen, und Domenicus
…«
»Dein Bruder«, unterbrach sie Andrej, »ist hundertmal schlimmer als Frederic und ich es jemals sein könnten.« Etwas warnte ihn, wei-terzureden. Er spürte ganz deutlich, das es ein Fehler war, aber zugleich war es ihm vollkommen unmöglich, nicht fortzufahren. Es war, als hätten sich die Worte, einmal aus ihrem Gefängnis befreit, nun vollkommen selbstständig gemacht.
»Er hat Frederics ganze Familie ausgelöscht. Meine gesamte Familie. Das ganze Dorf. Alle. Frederic und ich sind die Einzigen, die übrig sind.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Maria. Sie klang eher traurig als erschrocken; als hätte sie etwas gehört, wo mit sie zwar gerechnet, aber fast flehentlich darauf gehofft hatte, es nicht zu hören.
»Diese Menschen wurden fortgebracht, das ist wahr. Aber nur, um über sie zu richten. Um ihren Seelen die Gelegenheit zu geben, sich wieder Gott zuzuwenden.«
»Sie sind tot«, sagte Andrej, so ruhig er konnte.
»Sie sind auf Abu Duns Schiff verbrannt, als dein Bruder es anzünden ließ.« Maria schwieg. Sie starrte ihn an, aber es war Andrej nicht möglich, in ihren Augen zu lesen. Endlich schüttelte sie den Kopf.
»Das ist nicht wahr«, sagte sie.
»Vielleicht hat es dir der Mohr so erzählt, aber so war es nicht.
Mein Bruder ließ das Schiff angreifen, weil er ein Mörder und Dieb ist, der den Tod verdient hat.«
»Tepesch hat sein Schiff verbrannt«, beharrte Andrej.
»Auf Befehl deines Bruders, Maria. Verbrennt die Hexen! Das war es, was er gerufen hat!«
»Ein Schiff voller Piraten! «
»Dessen Bauch voller Sklaven war«, fügte Andrej hinzu.
»Alle, die aus Constäntä weggebracht wurden. Ich weiß es, Maria.
Ich war dabei. Frederic und ich haben es überlebt.« Marias Blick flackerte. Andrej konnte sehen, das ein anderer Ausdruck in ihren Augen lag.
»Nein«, sagte sie.
»Ich glaube dir nicht. Du lügst. Bruder Biehler hat mich gewarnt. Er hat mir gesagt, das du versuchen würdest, Zweifel in mein Herz zu säen.«
»Bruder Biehler«, wiederholte Andrej - in einem Ton, für den er sich selbst hasste.
»Du weißt, wer er ist?«
»Ein tapferer Mann«, antwortete Maria.
»So tapfer wie Körber und Malthus, die du erschlagen hast.«
»In Constäntä hast du noch ein wenig anders über sie gesprochen«, erinnerte Andrej.
»Da wußte ich noch nicht, wer du bist«, antwortete Maria.
»Ich bin …«
»Hör auf!« Maria schlug beide Hände vor die Ohren.
»Ich will nichts mehr hören! Schweig!«
»Weil dir nicht gefällt, was du hörst«, sagte Andrej sanft. Er war nicht zornig. Er konnte nicht von Maria erwarten, das sie ihm glaubte. Nicht jetzt und nicht in dieser Umgebung.
»Weil du lügst!« Maria schrie fast.
»Domenicus hat Recht! Du bist ein Hexer. Du hast mich verzau-bert, schon in Constäntä! «.
»Du weißt genau, das das nicht stimmt«, sagte Andrej leise. Plötzlich mußte auch er gegen die Tränen ankämpfen.
»Sprich mit Frederic, wenn du mir nicht glaubst.«
»Oder du fragst mich, schönes Kind.« Maria fuhr erschrocken herum und starrte Vlad an. Er war hereingekommen, ohne das sie oder Andrej es gemerkt hatten, und Andrej nahm an, das er auch schon eine Weile draußen auf dem Flur gestanden und ihnen zugehört hatte. Vielleicht von Anfang an.
»Was …?«, begann Maria. Tepesch
Weitere Kostenlose Bücher