Der Vampyr
nicht.« Maria hatte seine Worte gar nicht gehört.
»Du kannst von mir haben, was du willst«, sagte sie unter Tränen.
»Bitte, Andrej, tu es für mich! Du … du kannst mich haben. Ich ge-höre dir, wenn du es willst, aber … aber hilf ihm! Rette ihn!«
»Bitte, Maria«, murmelte Andrej. Ihre Worte stimmten ihn traurig, aber sie weckten auch noch etwas in ihm, das ihm nicht gefiel und das er hastig unterdrückte.
»Ich kann es nicht. Was immer dein Bruder dir über mich erzählt hat - ich bin kein Zauberer. Er stirbt.« Er zögerte einen Moment.
Obwohl er wusste, dass es ein Fehler war, fuhr er fort:
»Alles, was ich noch für ihn tun kann, ist, sein Sterben zu erleichtern.« Etwas in Marias Blick zerbrach. Es war ein Fehler gewesen.
»Du musst ihm helfen«, beharrte sie, nun aber in einem veränderten Ton, der ihm einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Andrej wandte sich an Dimitri. Hätte der Mann schnell genug reagiert, hätte er den Moment nutzen können, um zu fliehen, aber er stand noch immer reglos zwei Schritte entfernt und starrte Andrej und Maria aus geweiteten Augen an.
»Öffne das Tor«, befahl er.
»Das darf ich nicht«, stammelte der Wächter.
»Tepesch wird … «
»Öffne das Tor und dann lauf, so schnell du kannst«, wiederholte Andrej, eine Spur schärfer.
»In kurzer Zeit lebt hier niemand mehr. Auch dein Herr nicht.«
Dimitri starrte ihn noch einmal aus großen Augen an, dann fuhr er herum und stürzte zum Tor. Andrej wandte sich wieder zu Maria um.
»Du musst hier weg. Mehmeds Krieger werden bald hier sein. Ich werde dich nicht schützen können. Ich muss Frederic suchen.« Maria nickte. Sie stand auf und legte in der gleichen Bewegung Domenicus Arm um ihre Schulter, um ihn ebenfalls in die Höhe zu ziehen. Er wimmerte leise vor Schmerz, hatte aber kaum die Kraft da-zu.
»Warte«, sagte Andrej.
»Ich helfe dir.« Er trat auf sie zu und wollte nach Domenicus greifen, aber der sterbende Inquisitor entzog sich seiner Hand und versuchte sogar nach ihm zu schlagen.
»Rühr mich nicht an, Hexer!«, würgte er hervor.
»Eher sterbe ich, ehe ich zulasse, dass mich deine gottlosen Hände besudeln.«
»Domenicus!«, sagte Maria.
»Rühr mich nicht an!«, wiederholte ihr Bruder.
»Lieber sterbe ich.« Maria machte einen einzelnen, wankenden Schritt. Sie taumelte unter Domenicus Gewicht, aber sie brachte es fertig, nicht darunter zusammenzubrechen. Noch nicht.
»Abu Dun wartet mit ein paar Männern im Wald hinter der Burg«, sagte Andrej.
»Aber es ist viel zu weit bis dorthin. Er ist zu schwer für dich.«.
»Er ist nicht schwer«, antwortete Maria.
»Er ist mein Bruder.«
»Ich kann ihr helfen, Herr.« Dimitri hatte den schweren Riegel zur Seite gewuchtet und kam zurück. Er atmete schwer. Im ersten Moment kam Andrej dieser Vorschlag vollkommen abwegig vor.
Dann aber begriff er, dass der Mann um sein Leben redete. Er hatte gesagt, dass er ihm seine Seele stehlen würde, um ihn ein wenig zu erschrecken und gefügig zu machen, aber der Soldat nahm jedes Wort ernst.
»Du weißt, was geschieht, wenn du mich hintergehst?«, fragte er.
»Ganz egal, wo du dich versteckst, ich würde dich finden! «
»Ich weiß, Herr«, stieß der Soldat hervor.
»Ich werde Euch nicht belügen.« Wenn Andrej jemals in die Augen eines Mannes geblickt hatte, der es ehrlich meinte, dann waren es die Dimitris. Er nickte.
»Gut, bring sie zu den Männern, die im Wald auf mich warten. Und dann lauf Weg.« Dimitri wiederholte sein hektisches Nicken, dann ging er rasch zu Maria, griff wortlos nach Vater Domenicus und lud ihn sich auf die Arme. Maria seufzte erleichtert und machte einen schwankenden Schritt zur Seite. Sie sah zu Andrej auf, und wieder war in ihren Augen dieser Ausdruck, der Andrej erschauern ließ. Da war nichts mehr. Wenn es zwischen ihnen jemals so etwas wie Liebe gegeben hatte, dann war sie erloschen, erstickt und für alle Zeiten ausgemerzt unter all dem Hass und der Bosheit, die Tepesch über sie gebracht hatte.
»Geh zu Abu Dun«, sagte er.
»Er wird dir helfen. Und auch deinem Bruder. Sag ihm, dass ich ihn darum bitte.« Er zog sein Schwert und drehte sich wiederum. Seine Hände waren voller Blut. Er wusste, wo er Vlad Dracul finden würde.
18
Als er die Eingangshalle des düsteren Gebäudes betrat, traf er auf die ersten Soldaten. Sie waren zu zweit, versahen ihren Dienst aber ebenso nachlässig wie ihre Kameraden auf dem Hof. Einer von ihnen schlief, als
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