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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Er war erneut in diesen schrecklichen Blut-rausch verfallen, in dem nur noch das Töten zählte, in dem er nicht mehr er selbst war, sondern nur noch ein … Ding, das vorwärts marschierte, unverwundbar, unaufhaltsam und gnadenlos. Abu Dun war die ganze Zeit an seiner Seite gewesen, aber er hatte nicht ein einziges Mal sein Schwert gezogen. Sie hatten den Gang erreicht, an dessen Ende die vergitterte Tür zu Tepeschs Folterkeller lag. Die Schreie waren wieder zu einem Wimmern herabgesunken, dem ge-peinigten Schluchzen eines Kindes, das verzweifelt um Gnade win-selte und doch wusste, dass sie ihm nicht gewährt werden würde.
    Andrej wusste, wessen Stimme es war. Er hatte sie im ersten Moment erkannt, schon oben auf der Burgmauer, als er sie das erste Mal gehört hatte. Bisher hatte er sich nicht erlaubt, sie zu erkennen.
    Aber jetzt konnte er die Augen vor der Wahrheit nicht länger ver-schließen. Es war Frederic, der schrie. Vor der Tür am anderen En-de des Ganges stand ein einzelner, sehr großer Mann, der ihnen ruhig und ohne die mindeste Furcht entgegenblickte. Andrej kannte ihn. Es war Vlad, Tepeschs Vertrauter, den er in der Rolle des Drachenritters kennen gelernt hatte. Er trug nun eine andere Rüstung, die aber kaum weniger barbarisch war als die Tepeschs, und Andrej spürte sofort, wie gefährlich dieser Mann war.
    »Ich wusste, dass du kommst, Vampyr«, sagte Vlad.
    »Ich habe schon eher mit dir gerechnet.«
    »Ich wurde aufgehalten«, antwortete Andrej.
    »Aber nun bin ich da.« Er hob das Schwert, das er einem der Toten oben in der Halle abgenommen hatte.
    »Gibst du den Weg frei, oder muss ich dich töten?«
    »Kannst du es denn?«, fragte Vlad ruhig, »oder brauchst du die Hilfe deines heidnischen Freundes? Ihr seid zu zweit.« Andrej machte eine Handbewegung.

    »Abu Dun wird sich nicht einmischen. Wenn du mich besiegst, kannst du gehen.«
    »Oh ja«, sagte Vlad höhnisch.
    »Einen Mann, der nicht verletzt werden kann. Ihn zu besiegen ist schier unmöglich. Es ist kein sehr gutes Angebot, das du mir machst, Hexer.«
    »Dann gib den Weg frei«, sagte Andrej.
    »Und du lässt mich gehen?«, fragte Vlad zweifelnd. Sein Blick irrte unstet zwischen Andrej und Abu Dun hin und her. Andrej konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Hinter der Tür schrie Frederic gellend und so gepeinigt auf, dass Andrej fast das Blut in den Adern gefror.
    »Gib den Weg frei und du lebst. Oder bleib stehen und stirb für deinen Herrn.«
    »Für Tepesch?« Vlad machte ein abfälliges Geräusch.
    »Bestimmt nicht.« Er steckte sein Schwert ein, lachte noch einmal kurz und bitter und ging dann hoch aufgerichtet an Andrej vorbei.
    Andrej wartete, bis er zwei Schritte hinter ihm war, dann drehte er sich herum, hob sein Schwert und stieß es Vlad ins Herz. Der dunkelhaarige Riese kippte wie vom Blitz getroffen zur Seite, prallte gegen die Wand und sackte kraftlos zusammen. Abu Dun keuchte.
    »Warum hast du das getan?«
    »Weil er den Tod verdient hat«, antwortete Andrej. Er erschrak selbst vor der Kälte in seiner Stimme. Es war nicht die Wahrheit.
    Es stimmte - der Mann, der so oft in Tepeschs Haut geschlüpft war, war kaum besser als sein Herr gewesen und hatte den Tod tau-sendfach verdient -, aber das war nicht der Grund, aus dem er ihn getötet hatte. Der wirkliche Grund war viel einfacher: Er hatte es gewollt. Abu Dun antwortete nicht. Er sah Andrej nur an. In seinen Augen war etwas, das ihn an den Ausdruck in Marias Blick erinnerte und ihm fast ebenso große Angst machte. Hinter ihnen erscholl ein weiterer, noch gellenderer Schrei, und Andrej fuhr herum und stieß die Tür auf. Andrej hatte gewusst, was sie sehen würden. Es war nicht das erste Mal, dass er hier war. Und trotzdem ließ der Anblick einen Nebel aus roter Wut vor seinen Augen aufsteigen.
    Tod. Er sah Tod und er wollte Tod. Der riesige Gewölbekeller war von flackerndem rotem Licht erfüllt. Die Luft roch nach Ruß und ätzendem Rauch, aber auch nach Blut und menschlichem Leid und Sterben. Die großen Metallkäfige, die den Keller unterteilten, waren nach wie vor besetzt. Abu Dun hatte nur einen kleinen Teil der Gefangenen befreit. In die Gitterkäfige waren noch mindestens hundert Männer eingepfercht. Keiner von ihnen rührte sich. Die Männer waren tot. Alle.
    »Dieses Ungeheuer!«, murmelte Abu Dun.« Seine Stimme zitterte.
    »Dieses … Tier! So etwas tut doch kein Mensch!«.Andrej hörte ihn nicht. Sein Blick war starr auf den Gitterkäfig links

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