Der Vampyr
Andrej hereinkam, schrak aber hoch und griff nach seiner Waffe, der andere reagierte eine Winzigkeit schneller und stürzte sich mit erhobenem Speer auf ihn. Andrej tötete ihn mit einem blitzschnellen Schwertstreich, fuhr in der gleichen Bewegung herum und streckte auch seinen Kameraden nieder, noch bevor dieser sein Schwert ganz aus dem Gürtel gezogen hatte. Die beiden Männer starben schnell und lautlos, aber der Speer des einen fiel mit einem lang nachhallenden Scheppern zu Boden, das im gesamten Gebäude zu hören sein musste. Andrej blieb mit geschlossenen Augen stehen und lauschte. Für seine unnatürlich geschärften Sinne hatte das Geräusch geklungen wie das Dröhnen einer großen Kir-chenglocke, aber es folgte keine Reaktion. Als das Klingeln in seinen Ohren nachließ, ortete er jedoch andere Laute. Er hörte gleichmäßige Atemzüge anderer Männer, ein unregelmäßiges Schnarchen, die Laute von Körpern, die sich im Schlaf bewegten.
Hundert neue Sinneseindrücke und Informationen stürmten auf ihn ein, so schnell und mit solcher Wucht, dass er davon überrollt zu werden drohte. Ihm schwindelte. Es gelang ihm nur mit Mühe, sich gegen diese Flut von Geräuschen, Bildern und Gerüchen zu behaupten und sie schließlich so weit zurückzudrängen, dass er die für ihn wichtigen Informationen herausfiltern konnte. Noch immer waren Schreie zu hören, auch wenn sie jetzt mehr zu einem Wimmern geworden waren. Nicht sehr weit entfernt befanden sich vier oder fünf Männer, die schliefen. Aber nicht sehr fest. Ein einziger Schrei oder ein verräterisches Geräusch konnten sie wecken. Er musste sie ausschalten. Sich einzig auf sein Gehör verlassend, fand Andrej nach kurzem Suchen den Raum, in dem sich die fünf Männer zur Ruhe begeben hatten. Er blieb vor der Tür stehen, presste das Ohr gegen das Holz und konzentrierte sich. Er konnte jetzt sogar riechen, was die Männer zu sich genommen hatten. Mindestens einer von ihnen war betrunken. Andrej öffnete lautlos die Tür, betrat den Raum und orientierte sich mit einem raschen Blick in die Runde. Sein Gehör hatte ihn nicht getäuscht: Fünf von Tepeschs Kriegern hatten sich auf dem nackten Boden ausgestreckt und schliefen. Sie waren komplett angezogen und hatten ihre Waffen griffbereit neben sich liegen. Er tötete sie alle. Drei der Männer starben im Schlaf, die beiden anderen fanden zumindest noch Gelegenheit, hochzuschrecken und nach ihren Waffen zu greifen, aber vermutlich nicht mehr, zu begreifen, was mit ihnen geschah. Keiner von ihnen fand Zeit, einen Schrei auszustoßen. Andrej verließ den Raum, ging in die Halle zurück und lauschte. Er hörte jetzt keine Atemzüge mehr, aber er spürte, dass sich noch weitere Männer im Haus aufhielten - mit den gleichen, untrüglichen Instinkten, mit denen ein Raubtier die Nähe seiner Beute gespürt hätte, auch ohne sie zu hören oder ihre Witterung aufzunehmen. Der Gedanke beunruhigte ihn. War es das, wozu andere Menschen für ihn geworden waren? Beute? Und wenn es stimmte- was war er dann? Vielleicht hatte die Furcht, die diese Frage in ihm auslöste, ihn zu sehr abgelenkt, vielleicht waren seine neu erworbenen Sinne auch unzu-verlässig - das Nächste, was er hörte, war das Geräusch einer Tür, unmittelbar gefolgt von einem überraschten Laut und dem Scharren von Metall. Andrej fuhr herum und sah sich vier weiteren, höchst wachen Kriegern gegenüber, die allerdings von seiner Anwesenheit mindestens ebenso überrascht waren wie umgekehrt er von ihrem Auftauchen. Aber er überwand seine Überraschung schneller. Andrej fuhr wie ein Dämon unter die Männer und tötete einen von ihnen schon mit seinem ersten, ungestümen Angriff. Die drei anderen prallten erschrocken zurück, formierten sich aber sofort zu hartnäckigem Widerstand. Sie waren gut. Andrej hatte alles vergessen, was er jemals über den Schwertkampf und ausgefeilte Techniken gelernt hatte. Er drosch und prügelte einfach mit unge-bändigter Kraft auf seine Gegner ein, ohne Rücksicht darauf, ob er selbst getroffen wurde oder nicht, ob er selber traf oder was er traf.
Ein zweiter Soldat fiel tödlich verletzt zu Boden. In den Augen der beiden anderen loderte plötzlich Angst auf. Statt zu tun, was ihnen ihr Kriegerinstinkt eingeben musste, statt ihn gemeinsam auf eine Art anzugreifen, die seine Raserei letztlich zum hilflosen Toben werden lassen würde, gerieten sie in Panik. Andrej spürte einen scharfen Schmerz in der Seite, als ein Schwert in sein
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