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Der Vater des Attentäters (German Edition)

Der Vater des Attentäters (German Edition)

Titel: Der Vater des Attentäters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Hawley
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Lebensgefahr ist.»
    «Er hat einen Präsidentschaftskandidaten erschossen. Ich versichere dir, dass man sich um ihn kümmert.»
    Das war mir nicht genug. Mit jeder weiteren Minute verschwand Daniel tiefer in diesem dunklen bürokratischen Labyrinth.
    «Das reicht mir nicht», sagte ich. «Er gilt bereits als Terrorist. Er braucht einen Anwalt, eine faire Chance. Es kann einfach nicht sein, dass er das getan hat. Mein Sohn ist ein weltoffener Demokrat, Greenpeace-Mitglied. Hergott noch mal, er hat in Texas für den Mann gearbeitet. Schießt so ein Junge auf Jay Seagram?»
    Es blieb so lange still in der Leitung, dass ich schon fürchtete, wir seien getrennt worden.
    «Entferne dich nicht vom Telefon», sagte Alverson und legte auf.

 
     
    Jay Seagram war nicht der erste Politiker, der an einem warmen Juniabend in Los Angeles getötet wurde. Am 5. Juni 1968 wurde Robert Kennedy in der Küche des Ambassador Hotel erschossen, ein paar Minuten nach Mitternacht. Er hatte gerade die kalifornischen Vorwahlen gewonnen, und seine Zukunft als Präsident der Vereinigten Staaten schien gesichert. Am Rednerpult sagte er: «So danke ich Ihnen denn allen. Ziehen wir weiter nach Chicago und gewinnen auch da.» Nachdem er die Bühne verlassen hatte, wurde er durch einen angrenzenden Vorratsraum und die Küche des Ballsaals geführt, wo ihm ein schmaler, dunkelhaariger Mann in den Weg trat, «Kennedy, du Hurensohn» sagte und wiederholt mit einer 22er Pistole auf ihn feuerte. Kennedy wurde dreimal getroffen, zweimal in den Oberkörper und einmal in den Kopf.
    Der Täter wurde von den Anwesenden zu Boden gerungen, unter anderem vom Footballspieler Roosevelt Grier und dem Autor George Plimpton. Plimpton sollte sich später erinnern, der junge Mann habe «sehr große, friedliche Augen» gehabt.
    Im Good Samaritan Hospital erhielt Kennedy mehrere Bluttransfusionen. Die Ärzte nahmen einen Luftröhrenschnitt vor und versuchten, so viel von der Kugel wie möglich aus seinem Gehirn zu entfernen.
    Er starb vierundzwanzig Stunden später.
    Kennedys Attentäter weigerte sich nach seiner Festnahme, seinen Namen preiszugeben. «Ich möchte inkognito bleiben», sagte er. Er redete über den Aktienmarkt und sinnierte über das Wesen der Gerechtigkeit. Der Mann wurde als «dunkelhäutig» beschrieben, «mit lockigem Haar». Einige meinten, er sei Filipino, andere, Mexikaner oder Kubaner, bis er über das Fernsehbild von seinem Bruder Adel identifiziert wurde. Kennedys Mörder hieß Sirhan Sirhan. Er war ein palästinensischer Einwanderer, geboren in Jerusalem. Als fünfter Sohn von insgesamt neun Kindern war Sirhan mit zwölf Jahren nach Amerika gekommen. Er bezeichnete sich selbst als Antisemit und Feind Israels. Er war auf die John Muir High School und das Pasadena City College gegangen und hatte kurzzeitig an einer Rennbahn und in einem Naturkostladen gearbeitet.
    Nach dem Attentat durchsuchte die Polizei seine Wohnung und fand ein ausführliches Notizbuch mit belastenden Aussagen. In einem auf den 18. Mai 1968 datierten Tagebucheintrag hatte Sirhan geschrieben: Mein Entschluss, RFK zu eliminieren, wird mehr und mehr zu einer Obsession … RFK muss sterben … RFK muss getötet werden … Robert F. Kennedy muss vor dem 5. Juni 68 umgebracht werden.
    Sirhan Sirhan war im Hass auf Israel großgezogen worden, und seine Einstellung zu den Juden hatte in den Monaten vor dem Attentat immer paranoidere Züge angenommen. «Die Juden stecken einfach hinter allem», sagte er. Er sei nicht verrückt, «nur wenn es um Juden geht», wie er behauptete.
    Sirhans Vater war ein herrschsüchtiger Mann gewesen, der seine Kinder schlug. 1957, ein Jahr, nachdem er seine Familie nach Amerika gebracht hatte, verließ er sie und ging nach Jordanien. Da war Sirhan dreizehn. Er sah seinen Vater nie wieder.
    Nach dem Attentat erzählten Freunde, Sirhan Sirhan habe oft seine Bewunderung für Adolf Hitler und dessen «Lösung» des jüdischen Problems zum Ausdruck gebracht.
    Zehn Jahre nachdem Sirhans Vater die Familie verlassen hatte, am 5. Juni 1967, kam es zwischen Israel und Ägypten zum Krieg. Jordanien, das durch ein gegenseitiges Verteidigungsabkommen mit Ägypten verbunden war, griff Israel vom Osten her an. Sechs Tage später hatte Israel die Sinai-Halbinsel besetzt, den Gazastreifen, die West Bank und die Golanhöhen. Ägypten und Jordanien hatten einen Krieg verloren, den sie nicht hätten verlieren dürfen.
    Den Herbst dieses Jahres verbrachte Sirhan, der

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