Der Vater des Attentäters (German Edition)
Justizministerium telefoniert, das mich an das Ministerium für Innere Sicherheit verwiesen hat. Dort hieß es: ‹Rufen Sie den Secret Service an›, worauf ich mich an einen Bekannten beim FBI gewandt habe, der behauptet, sie halten Danny in einer Einrichtung in der Innenstadt von Los Angeles fest. Er wird von einem Sanitäter versorgt, ist aber noch nicht in ein Krankenhaus gebracht worden. Soweit mein Kontaktmann weiß, hat er die Kugel noch im Bein.»
«Er könnte das Bein verlieren, Murray.»
«Beruhigen Sie sich. Darauf habe ich einen Bekannten bei CBS angerufen und durchsickern lassen, dass der Secret Service Danny die Behandlung verweigere. Die wollen es in den Elf-Uhr-Nachrichten bringen.»
Ich senkte den Blick und sah, dass ich einen roten Fleck auf dem Hemd hatte. Da fiel mir die Pizza ein, und wie Fran und ich vor dem Fernseher gehockt und gegessen hatten. Das alles kam mir wie vor hundert Jahren vor.
«Mein Bekannter hat auch erzählt, sie hätten Videoausschnitte von Danny, wie er den Abzug drückt», sagte Murray. «Er war es garantiert. Wenn Sie mich fragen.»
Ich konnte es nicht glauben. Danny war ein Junge, der weinte, weil die Katze des Nachbarn gestorben war. Solange ich das Foto nicht selbst gesehen hatte, weigerte ich mich zu glauben, dass er mehr als ein unschuldiger Zuschauer gewesen war.
«Jemand will ihm das anhängen», meinte ich.
Murray hob die Brauen, als wollte er sagen, Sie haben ganz bestimmt recht. Aber es war offensichtlich, dass er es nicht glaubte.
Als pedantischer Kliniker fragte ich mich, was auf dem Ausschnitt tatsächlich zu sehen war. Mein Sohn mit einer Waffe oder mein Sohn, der eine Waffe abfeuerte ? Das waren zwei unterschiedliche Dinge. Er war ein junger Kerl in einer Menschenmenge. Ein Attentäter schießt in Richtung Bühne, es kommt zu einem Gerangel. Mein Sohn gerät mitten hinein und hat am Ende die Waffe in der Hand. War das wahrscheinlich? Nein. Aber es war möglich, und in meinem Beruf erwies sich das Unwahrscheinliche immer wieder als wahr.
Vor zwei Jahren hatte ich einen Patienten gehabt, der über Schmerzen im Brustbereich klagte. Tests deuteten auf eine Herzbeutelentzündung hin. Der Mann fühlte sich schwach und hatte keinen Appetit. Blutbild und Blutsenkungsreaktion wiesen erhöhte Werte auf, genau wie sein Blutdruck. Der leitende Arzt diagnostizierte ihn als klassischen Herzpatienten und rief einen Kardiologen hinzu. Zwei Wochen lang behandelten sie ihn entsprechend, doch sein Zustand verschlechterte sich weiter. Als Anzeichen einer Livedo reticularis auf Armen und Beinen des Patienten auftauchten, wurde ich hinzugezogen.
Wir gingen gemeinsam die Symptome durch, und ich sprach mit dem Patienten. Er erzählte mir, dass er sich vor Monaten eine Hepatitis B zugezogen habe, und als dann bei einem Nierenfunktionstest sein Harnstickstoffwert im Blut über vierzig Milligramm pro Deziliter lag, wusste ich, dass es nicht das Herz war. Der Patient litt unter einer Panateriitis nodosa, einer Krankheit, über deren Ursachen noch gerätselt wird. Immunzellen greifen die Arterienwände an. Wir behandelten ihn mit Prednison und Cyclophosphamid, und sein Zustand verbesserte sich sofort.
Jeder Arzt, der den Mann sah, schwor, dass sein Herz das Problem sei, aber in der Medizin muss man die einfachen Annahmen hinterfragen. Es gibt die Tendenz, nur die Symptome zu betrachten, die zur getroffenen Diagnose passen, dabei sollte man dem Symptom folgen, das sich nicht in sie einfügt.
Wir fuhren auf der I-95 in Richtung Norden. Mein Handy klingelte. Es war Dean.
«Ich habe den nächsten Flug von JFK nach Los Angeles für dich gebucht. Der geht in einer Stunde. Schaffst du das?»
Ich sah Murray an.
« JFK », sagte ich.
Murray schwenkte über drei Fahrspuren hinweg, nahm die Ausfahrt mit achtzig, überfuhr ein Stoppschild, vollführte eine Hundertachtzig-Grad-Wende und fädelte sich in den Verkehr in der Gegenrichtung ein. Mein Herz klebte irgendwo unter meiner Achsel.
«Sie haben Danny ins Cedars-Sinai Hospital gebracht», fuhr Dean fort. «Morgen früh kommt er in ein Bundesgefängnis, und da werden Wochen vergehen, ehe du ihn sprechen kannst. Mir ist versichert worden, wenn du vorher kommst, darfst du ihn sehen.»
«Ich danke dir, Dean.»
«Halte meinen Namen aus der Sache raus», sagte er. «Ich habe mein Leben lang für die demokratische Partei gearbeitet. Das Letzte, was ich brauche, ist, dass die Presse davon erfährt.»
«Ich nehme das mit ins Grab»,
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