Der Vater des Attentäters (German Edition)
eine alleinerziehende Mutter. Für Männer ist es leichter. Alleinerziehende Väter sind sexy, als alleinerziehende Mutter bist du eine Medusa. Die Männer denken, ein Blick, und sie kommen nicht mehr weg.
Ich zahlte die Gebühren für Dannys Privatschule, zahlte für seine Gitarrenstunden und schenkte ihm eine neue Digitalkamera, als er (für zehn Minuten) glaubte, dass er Fotograf werden wollte. Wegen meines schlechten Gewissens ergriff ich in jedem Streit zwischen ihm und seiner Mutter seine Seite. Da ich sowieso keine große Liebe mehr für Ellen verspürte, redete ich mir leicht ein, dass sie unrecht hatte und er recht.
Wäre vielleicht alles anders gekommen, wenn ich sie mehr unterstützt hätte? Wenn ich nicht so schlecht über sie geredet, ihre Autorität nicht untergraben hätte? Hätte ich in vielem ganz anders gehandelt, wäre aus Danny dann vielleicht ein normaler Zwanzigjähriger geworden, der auch sein zweites Jahr in Vassar beendet hätte, statt alles hinzuwerfen und nach einem Jahr des Vagabundierens als Schwerverbrecher angeklagt zu werden? All diese Wenns und Vielleichts … Würde der Rest meines Lebens daraus bestehen? Mir in schlaflosen Nächten alternative Geschichten auszudenken, sie in meinem Kopf durchzuspielen und nach einem Ausweg aus diesem Labyrinth zu suchen?
In dem Jahr, als Danny bei uns einzog, taten Fran und ich alles dafür, dass er sich aufgenommen und als Teil der Familie fühlte. Aber Danny war den Rhythmus eines normalen Familienlebens nicht gewohnt, die gemeinsamen Essen nicht und auch nicht die Unternehmungen am Wochenende. Seine Beziehung zu Ellen war ähnlich gestrickt gewesen wie die von Ellen zu ihrer Mutter. Die beiden waren eine Art Mitbewohner, zwei Insassen derselben Zelle gewesen, auf eine fast unverbindliche Weise. Ellen wollte Danny vor allem als Kumpel, als Komplizen. In seinen jüngeren Jahren hatte das funktioniert, aber mit Beginn der Pubertät hielt Danny es nicht mehr aus. Die unkonventionelle Lebensweise seiner Mutter kam ihm nun ziemlich verrückt vor, und deshalb floh er nach New York, um zu sehen, wie es war, Teil einer richtigen Familie zu sein.
Als ich jetzt dort mit Ellen in diesem Diner saß, spürte ich, wie mich eine Welle der Erschöpfung erfasste. Es war nur ein Vorgeschmack des Ozeans an Trauer und Kummer, in dem ich versinken würde, jener Flutwelle von Gefühlen, die sich an einem finsteren Horizont erhob und auf ihrem Weg alles mit sich reißen würde. Ich rührte in meinem Kaffee und versuchte meine Kräfte zu sammeln. Ich musste konzentriert bleiben und meine Gedanken beisammenhalten.
«Wir müssen herausfinden, bei wem er gewohnt hat.»
«Ich bin sicher, das FBI weiß es längst», sagte sie. «Ist das nicht ihr Job?»
Ich nippte an meinem Kaffee. Ich war jetzt seit mehr als vierundzwanzig Stunden wach. Als ich vor einer Stunde zu Hause angerufen hatte, hatte Fran erzählt, dass Murray auf der Couch liege und schlafe. Ken Sunshine sitze derweil in der Küche und entwerfe eine Medienstrategie. Ich sagte ihr, sie solle die Jungs heute nicht in die Schule bringen. «Lass sie alle Videospiele spielen, die sie wollen.»
Ellens Espresso kam. Sie trank ihn. «Es geht ihm also gut?», fragte sie mit dünner Stimme.
Ich nickte, und sie fing wieder an zu weinen. Ich zögerte kurz, ob ich ihre Hand ergreifen sollte, um sie zu trösten, tat es aber nicht. Immerhin war sie die Frau, die mit einem Kellner und zwei Surfern geschlafen hatte, während ich im Krankenhaus meinen Schichtdienst tat.
«Wie geht’s Harvey?», fragte ich. Harvey war ihr Freund. Letztes Jahr hatten die beiden eine gemeinsame Weihnachtskarte geschickt. Er trug darauf einen roten Pullover mit lauter Weihnachtmännern. Laut Ellen war er «Geschäftsmann», eine Art Produzent.
«Wir haben uns gerade getrennt», sagte sie nun. «Gestern Abend. Er meinte, das sei alles zu viel für ihn. Er habe eine Firma, an die er denken muss. Der Film, den er produziert hat, ist für einen DGA -Award nominiert. Schlechte Presse kann er sich nicht leisten.»
« L.A. ist einfach toll», murmelte ich.
Sie sah zu den Möwen hinaus. «Was machen wir jetzt?», fragte sie.
«Besorg dir einen Anwalt. Sag nichts, was Danny in irgendeiner Weise schaden könnte.»
«Ich kann mir keinen Anwalt leisten.»
«Nimm ein Darlehen auf», sagte ich. «Die Uhr tickt. Sie werden die Todesstrafe beantragen, das müssen sie. Ich verkaufe alles, was ich habe, bevor ich das geschehen lasse.»
Sie sah mich
Weitere Kostenlose Bücher