Der Vater des Attentäters (German Edition)
unter ihren Locken hervor an, wie sie es getan hatte, als wir uns gerade kennengelernt hatten. «Was ist, wenn er es wirklich war?»
«Er war es nicht. Du hast es selbst gesagt. Er kann keiner Fliege was zuleide tun.»
«Meine Freunde werden nicht mehr mit mir reden», sagte sie. «Sie sind alle sehr politisch, und sie haben Seagram geliebt. Alle haben ihn geliebt. Es ist fast so, als hätte Danny Jesus erschossen.»
«Er hat niemanden erschossen. Hör auf, das zu sagen!»
«Du verstehst nicht. Wir sind hier in Malibu, hier umarmen die Leute Bäume. Hier fahren sie seit Jahren mit Protestaufklebern auf ihren Autos herum. Dieser Mann war unsere Rettung.»
«Bleib auf dem Boden», sagte ich zu ihr. «Der Letzte, was Danny braucht, sind wirre Geschichten von seiner West-Coast-Hippie-Mom, die ausflippt.»
Nicht weit entfernt saß ein Tisch voller Rentner, die verstohlen zu uns herüberschielten. Ellen schenkte ihnen einen eiskalten Blick. «Was zum Teufel gibt’s da zu glotzen?»
Ich schüttelte den Kopf. «Hast du mich verstanden?»
Sie zuckte mit den Schultern. Ellen hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, sich als Künstlerin zu gerieren, ohne eine einzige Skulptur, ein einziges Bild oder ein einziges Sonst-Etwas produziert zu haben.
Sie wischte sich über das Gesicht und versuchte sich zusammenzunehmen. «Wie geht es Fran?», fragte sie.
«Gut. Und auch den Zwillingen. Aber ich fürchte, wir werden umziehen müssen. Wie wird es den Kindern in der Schule ergehen, wenn alle Bescheid wissen?»
«Wo wollt ihr denn hin? Es ist überall das Gleiche, alle wissen es. Vielleicht in Burma nicht.»
«Myanmar.»
«Was?»
«Burma heißt heute Myanmar.»
Darauf sagte sie nichts. Wir sahen die Surfer draußen auf- und niedergleiten, kleine schwarze Punkte auf weißen Schaumkronen. Für sie war es ein perfekter kalifornischer Tag wie so viele andere. Die Wellen kamen gut, alles war bestens. Ich hatte immer surfen lernen wollen und mir vorgestellt, in meinem Alter noch mal ein echtes Surfer-Abenteuer zu erleben. Nach Mexiko zu fliehen, mich von Fisch-Tacos zu ernähren und am Strand zu schlafen. Jetzt wusste ich, dass es nie dazu kommen würde. Die Welt war eine Wüste geworden, eine Ödnis, in der es einfach nur zu überleben galt. In weniger als vierundzwanzig Stunden waren alle meine Träume zerstört worden.
«Als er klein war», sagte sie, «schlief er so gern auf meinem Bauch. Zwischendurch machten wir ein Nickerchen auf dem Sofa, während du bei der Arbeit warst. Ich spüre ihn noch. Wie eine Katze hat er geschnurrt.»
Wir saßen an einem warmen kalifornischen Sonnentag in einem Diner und sahen zu den Surfern hinaus, ein Arzt und seine von ihm geschiedene erste Frau, zu Tode erschrocken wie zwei Rehe, die von einem Auto angefahren worden waren.
«Es kommt alles von deiner Seite», sagte sie plötzlich.
«Von mir?»
«Dieser nichtsnutzige Onkel von dir. So was ist genetisch.»
Ich sah sie an. Sie redete vom Halbbruder meines Vaters, Ellroy, der den Großteil der fünfziger Jahre wegen Totschlags im Gefängnis verbracht hatte. Er hatte bei einem verpatzten Raubüberfall auf einen Gemischtwarenladen den Verkäufer getötet.
«Zunächst einmal», sagte ich, «hat unser Sohn niemanden ermordet, und dann war Ellroy ein zurückgebliebener Kleinstadtbursche. Du kannst die beiden doch nicht ernsthaft miteinander vergleichen. Aber selbst, wenn du sie vergleichst, gibt es absolut keinen wissenschaftlichen Hinweis darauf, dass so etwas vererbbar ist.»
«Wie sonst willst du es erklären? Danny ist ein guter Junge. Wir waren gute Eltern. Oder etwa nicht? Okay, wir waren nicht perfekt … die Scheidung und … was das Leben so bringt. Aber viele Leute werden geschieden, ohne dass ihre Kinder gleich …» Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Ich ließ sie einen Moment lang einfach weinen. Die Kellnerin kam und goss mir Kaffee nach.
«Ich engagiere einen Anwalt für Danny», sagte ich, als die Frau wieder weg war. «Und einen Spurensicherungsexperten. Wen immer wir brauchen. Wir werden kämpfen.»
«Ich habe Angst», sagte sie. «Das fühlt sich an wie so ein Moment, in dem alles zusammenbricht. Wie ein Moment, von dem du dich nicht erholst. In fünf Jahren schreibt irgendein Journalist in einer kleinen Zeitung einen Was-sie-heute-tun -Artikel, und du bist Alkoholiker und wohnst in einem Wohnwagen. Ich kann das nicht. Ich bin allergisch gegen Holzfurnier.»
«Ellen …», sagte ich.
Sie sah mich an. Ich war
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